Höllenlärm im Zwei-Minuten-Takt

Oberverwaltungsgericht verhandelt über Flugroutenklage der Gemeinde Blankenfelde-Mahlow

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Peter Kirschey berichtet aus Berliner Gerichtssälen
Peter Kirschey berichtet aus Berliner Gerichtssälen

Für die Gemeinde Blankenfelde-Mahlow am südlichen Stadtrand von Berlin wird es - so oder so - ganz dicke kommen, sollte BER irgendwann einmal ans Flugnetz gehen. Nur drei, vier Kilometer von der Nordbahn entfernt, liegt der Ortskern. Die Maschinen müssen also bei Start und Landung die Gemeinde in einer Höhe von 100 bis 200 Metern überfliegen. Zwischen 6 und 22 Uhr dürfte jedes Gespräch im Zwei- bis Vier-Minuten-Takt von Triebwerken übertönt werden. Gestern unternahm Blankenfelde-Mahlow vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg den Versuch, die Folgen des zu erwartenden Fluglärms wenigstens ein wenig abzumildern. Das Rathaus klagte gegen die Starts von der Nordbahn, die in Richtung Westen gehen. Die machen dem Ort besonders zu schaffen.

Die Flugrouten wurden vom Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung festgelegt und von der Fluglärmkommission vorgeschlagen. Diese Kommission aber, so sehen es die Kläger, sei fehlerhaft zusammengesetzt gewesen. Ursprünglich sollte sie 15 Mitglieder erfassen, tatsächlich waren es 34. Darunter auch Kommunen, die gar nicht so sehr vom Fluglärm betroffen wären. Diese hätten dann, aus Furcht vor eigener Lärmbelästigung, die ganze Last auf Blankenburg-Mahlow abgewälzt. So seien Orte dabei, die 25 Kilometer vom Flughafen entfernt liegen und wo sich die Maschinen in einer Höhe von 5000 Meter befinden würden. Dem widersprachen die Vertreter des Bundesaufsichtsamtes für Flugsicherung. Die Fluglärmkommission sei nur beratendes Gremium gewesen und die Anzahl der Mitglieder sei eine variable Angelegenheit, die unter den konkreten Bedingungen rund um Schönefeld ausgeweitet worden war. Die Entscheidung über die Flugrouten sei fehlerfrei erfolgt. Die Vorschläge der Kommission seien deshalb akzeptiert worden, weil bei jeder anderen Variante der Fluglärm auf andere Ballungsgebiete mit mehr Einwohnern umverteilt worden wäre.

Ein weiterer Kritikpunkt der Gemeinde bezog sich auf die sogenannte Doppelbelastung, das heißt der gerade An- und Abflug. Während die Landeanflüge in gerader Linie erfolgen müssen, würde beim Abflug ein Abknicken möglich sein. Die geplanten Flugrouten sehen aber erst ein Abknicken der Maschinen vor, wenn der Ortskern bereits überflogen ist. Für das Bundesamt für Flugsicherung ist diese Doppelbelastung unumgänglich. Außerdem gebe es keine rechtlichen Aussagen zu dieser Frage. Juristisch ist also gegen eine Doppelbelastung nichts einzuwenden. Das Bundesamt stand vor der Aufgabe, den Lärm auf wenige Regionen zu bündeln oder sie auf andere Flächen zu verteilen. Betroffen seien beim Abknicken gleich nach dem Start weit mehr Menschen. Deshalb habe man sich für diese Route entschieden. Konkret würde es bedeuten: Kippen die Maschinen gleich nach dem Start ab, wären Teltow und Kleinmachnow weitaus stärker betroffen.

Ein weiterer Vorschlag der Kläger ist, die Flugbewegungen in flugärmeren Zeiten auf beide Bahnen gleichmäßiger zu verteilen. Die Flugsicherung besteht aber auf einen durchgängigen unabhängigen Parallelbetrieb beider Bahnen. Im Prinzip seien beide Bahnen gleichmäßig ausgelastet, so dass eine Umverteilung auf die Südbahn nur in Ausnahmefällen möglich sei. Um ihr Anliegen noch deutlicher zu machen, stellten die Anwälte der Gemeinde weitere 14 Beweisanträge. Das Gericht wollte eigentlich am Donnerstag ein Urteil fällen, bis Redaktionsschluss dauerte die Verhandlung an. Zwei Klagen gegen die Flugrouten hat das Oberverwaltungsgericht bereits entschieden. Die Klage gegen die Müggelseeroute wurde abgewiesen. Bei der Wannseeroute, monierten die Richter nur, dass ein möglicher Absturz über den Forschungsreaktor des Helmholtz-Zentrums nicht ausreichend geprüft wurde. Wird diese Prüfung nachgereicht, dann dürfte auch die Wannseeroute Genehmigung finden.

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