Die Nanny in Linz

TAGUNGSNOTIZEN

  • Jürgen Hofmann
  • Lesedauer: 2 Min.

Die diesjährige 49. Linzer Konferenz der Internationalen Tagung der HistorikerInnen der Arbeiter- und anderer sozialer Bewegungen wich in mehrfacher Hinsicht vom gewohnten Bild ab. Unter den über 80 Teilnehmern dominierte die jüngere und mittlere Generation. Absolutes Novum: Es referierten und diskutierten vorwiegend Frauen. Ungewöhnlich war auch das Thema: die Geschichte der Hausangestellten und Pflegebediensteten, ein bisher in der Historiographie der Arbeiterbewegung kaum beachtetes und bearbeitetes Feld. Die Notwendigkeit, die bisherige Fokussierung auf Industriearbeit aufzubrechen und Erfahrungen reproduktiv arbeitender Frauen und Männer in die Geschichte arbeitender Menschen einzubeziehen, dürfte nach dieser Konferenz kaum mehr strittig sein.

Traude Bollauf (Wien) machte am Beispiel jüdischer Frauen, die 1938/39 vor den Nazis nach England emigriert waren und dort als Dienstmädchen oder Nanny (Kindermädchen) arbeiteten, die enge Verknüpfung mit großer politischer Geschichte deutlich. Ebenso Elizabeth Quay Hutchison (New Mexiko), die über die Situation der Hausbediensteten in Chile während und nach der Allende-Regierung sprach. Shireen Ally (Johannesburg) spannte in ihrem Einführungsvortrag einen Bogen vom 17. bis ins 20. Jahrhundert. Einer bislang kaum beachteten Frage nahm sich Anna Kordasiewicz (Warschau) an: Wie war es um die Lage der Hausbediensteten und Kindermädchen in den Ländern des Realsozialismus bestellt?

Diskutiert wurden Migrationsgeschichte, Rassismus und kulturelle Konnotation. Mit dem Begriff »emotionale Arbeit« wollten die Wissenschaftler die Besonderheit von Betreuungsarbeit erfasst wissen. Auch die Probleme und Konflikte, die sich aus der räumlichen Nähe von Dienstpersonal und ihren Auftraggebern ergeben, waren Gegenstand der Erörterung.

Die Generalversammlung der ITH wählte schließlich erneut Berthold Unfried (Wien) zum Präsidenten. Die Vorträge werden wie bei allen vorangegangenen Kongressen in einem Protokollband veröffentlicht. Die Konferenz im nächsten Jahr wird sich den Zusammenhängen von Arbeit und Zwang zuwenden.

Unser Autor, Sprecher der Historischen Kommission beim Parteivorstand der Linkspartei, wird am heutigen Samstag 70. Gratulation!

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