Aufpasser für Rot-Grün

LINKE-Bundestagskandidat traut sich in Potsdam einen Überraschungserfolg zu

  • Lesedauer: 5 Min.
Der 27-jährige Norbert Müller ist Direktkandidat der Linkspartei im Bundestagswahlkreis 61. Außerdem steht er auf Platz sechs der Landesliste seiner Partei.Seit 2012 ist Norbert Müller stellvertretender LINKE-Landeschef. Mit Müller sprach nd-Redakteur Andreas Fritsche.

nd: Bei früheren Bundestagswahlen kandidierte für die LINKE in Potsdam und Umgebung Rolf Kutzmutz, genannt der Rote Rolf. Wie würde Ihnen der Spitzname Roter Norbert gefallen?
Müller: Das mag jetzt für einen jungen Menschen schrecklich spießig klingen, aber ich war noch nie ein Fan von Spitznamen, die man mir gegeben hat. Mit diesem Spitznamen ist ja eine politische Zuordnung gemeint. Mit der könnte ich auch gut leben. Ein Grüner hat mich an der Uni mal beschimpft, ich sei ein Klassenkämpfer der alten Schule - das fand ich auch sehr unterhaltsam. Aber im Ernst: Ich glaube, mein Name verbindet sich im Wahlkreis zunehmend mit linker Politik, da brauch ich auch keinen Spitznamen.

Rolf Kutzmutz fehlten 2009 lediglich 206 Stimmen zum Sieg im Wahlkreis. Welche Chancen rechnen Sie sich aus?
Der Wahlkreis ist einer der umkämpftesten der Republik - gerade weil der Wahlausgang als offen gilt. Viele überregionale Medien haben über unseren Wahlkampf berichtet. Ausgerechnet die Lokalmedien versuchen aber konsequent, ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen CDU und SPD herbeizureden. Das haben sie auch 2009 versucht, da hatte am Ende niemand mehr Rolf auf dem Zettel. Ich denke, das sollte uns lehren, darauf nichts zu geben. Die Stimmung auf der Straße ist toll, es gibt unglaublich viel positives Feedback von den Menschen. Und das Wichtigste: Die LINKE ist bundesweit so stark wie seit Jahren nicht mehr. Alles gute Belege dafür, dass wir auch in Potsdam und Umgebung ganz oben mitspielen. Vielleicht gelingt ja der Überraschungserfolg.

Falls es nicht klappt mit Ihrem Einzug in den Bundestag, haben Sie einen Plan B für Ihre Zukunft?
Klar. Ich habe immer gesagt, dass ich danach mein Studium abschließen werde. Außerdem habe ich ja noch einen Job, eine Familie mit einem kleinen Sohn und bin auch immer noch stellvertretender Landesvorsitzender der Linkspartei. Langweilig wird mir also nicht werden, keine Sorge.

Wie schätzen Sie Ihre Mitbewerber ein?
Frau Reiche von der CDU und Frau Wicklein (SPD) vertreten ja immer wieder ganz erstaunliche Positionen. Frau Reiche ist jetzt Vorkämpferin für starke Gewerkschaften, hohe Löhne und Tarifbindung. Frau Wicklein kämpft für sozialen Wohnungsbau, den Mindestlohn und eine Umverteilung von oben nach unten. Wir betreiben bei den anderen im Bundestag vertretenen Parteien ständig Erwachsenbildung, damit diese die Interessen ihrer Wähler wieder vertreten. Vielleicht hat das ja gefruchtet.

Vielleicht haben Frau Reiche und Frau Wicklein aber nur Angst vor der nächsten Klatsche, weil die Menschen nicht vergessen, wer für die Agenda 2010, für die Rente mit 67, die Bankenrettungen und die Kriegseinsätze der Bundeswehr verantwortlich war und verantwortlich ist.

Wie dem auch sei: Unsere Positionen wirken und genau deswegen habe ich im Wahlkampf wie auch sonst klar auf Inhalte gezeigt und lasse mir von der Linksblinkerei der anderen nicht die Butter vom Brot nehmen. Als eine starke LINKE können wir dafür sorgen, dass die SPD, aber auch die Grünen nicht damit durchkommen, wenn sie nach der Wahl dann wieder rechts abbiegen wollen. Man könnte sagen, wir wären sowas wie die Erziehungsberechtigten für Rot-Grün, die auf sie aufpassen.

Der Verfassungsschutz genießt spätestens seit der NSU-Affäre - vorsichtig ausgedrückt - nicht unbedingt den Ruf, eine verlässliche Informationsquelle für die Öffentlichkeit zu sein. In Brandenburg versucht sich der Geheimdienst jetzt als Demokratiedienstleister darzustellen, malt aber in eine Landkarte die Verbreitung linker Organisationen wie der DKP vermischt mit dem Aufkommen von Neonazis. Was halten Sie von dieser Vorgehensweise bei dem sogenannten Extremographen?
Ich war entsetzt und halte das für eine ganz gefährliche Verharmlosung der rechten Gefahr. Joseph Wirth hat als Reichskanzler im Reichstag 1922 auf die wahre Bedrohung der Demokratie hingewiesen, als er sagte: »Da steht der Feind - und darüber ist kein Zweifel: Dieser Feind steht rechts!« Ob dieser Schuss bei den deutschen Geheimdiensten angekommen ist, wage ich zu bezweifeln. Auch in Brandenburg führt der Verfassungsschutz trotz rot-roter Landesregierung ein anachronistisches Eigenleben, in dem er weiter linke und antifaschistische Gruppen und Organisationen überwacht. Mich ekelt diese Art Politik zu machen an, und mit dem Extremismusbegriff wird vor allem Politik gemacht. Ich bin selbst jahrelang als Jugendfunktionär der LINKEN vom Bundesamt für Verfassungsschutz überwacht worden, während gleichzeitig angeblich unbemerkt Naziterroristen mordend durchs Land zogen. Nein, diesen Verfassungsschutz, der die Verfassung gar nicht schützt, brauchen wir nicht.

Sie sind jüngster Bundestagskandidat Ihrer Partei in Brandenburg und am nächsten dran an Kindern und Jugendlichen. Wie erklären Sie sich, dass die LINKE bei der märkischen U18-Wahl nur 12 Prozent erhielt, die CDU aber fast 29 Prozent? Was macht die LINKE falsch?
Die Entwicklung ist ja so schrecklich neu nicht. Da klingt es ja fast verrückt, dass ausgerechnet auf unsere Initiative das Wahlalter in Brandenburg auf 16 gesenkt wurde. Übrigens war da nur die CDU dagegen. Es war aber richtig, weil wir wollen, dass junge Menschen wenigstens ein bisschen Einfluss auf die Verhältnisse ausüben können, die ihr Leben bestimmen. Die Linksjugend solid ist deswegen seit Wochen wieder im ganzen Land vor Schulen unterwegs. Wir müssen darüber aufklären, was die LINKE will und warum die CDU eine jugend- und zukunftsfeindliche Politik macht. Ich komme zum Beispiel sehr gerne in Schulen und diskutiere mit den MitbewerberInnen und jungen Menschen. Nur die Brandenburger Bildungsbürokratie und Bildungsministerin Martina Münch (SPD) lassen das nicht zu. Im Grunde genommen ist diese Politik der Isolation von Schule demokratiefeindlich.

Die Ideen der LINKEN sind sehr mächtig und aus Erfahrung weiß ich: Wo wir in Schulen Diskussionen mit den anderen Parteien führen dürfen, gewinnt die LINKE dadurch. Wir sind die Einzigen, die ein Konzept haben, wie alle von guter Bildung profitieren. Wir wollen als einzige die »Stallpflicht« für junge ALG-II-EmpfängerInnen abschaffen. Nur die LINKE hat immer konsequent jede Form von Bildungsgebühren abgelehnt. Und nicht zuletzt: Es sind junge Frauen und Männer, die als Soldaten in den Kriegen von SPD, Union, FDP und Grünen den Kopf hinhalten. Wir wollen die Kriegseinsätze beenden, damit diese jungen Frauen und Männer eine sichere Zukunft haben.

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