Granteln im Wald

»Prince Avalanche«

  • Alexandra Exter
  • Lesedauer: 2 Min.

Die US-Kritiker befanden, dieser Film sei originell, anders, neu. Recht hatten sie - jedenfalls insoweit, als »Prince Avalanche« tatsächlich nicht auf Hollywoods überdüngtem Hochbeet entstanden war, sondern auf einer europäischen Filmvorlage beruht, auf Hafsteinn Gunnar Sigurðssons isländischem Festivalhit »Á annan veg - Ein anderer Weg« von 2011.

In seinem US-Remake belässt David Gordon Green die Handlung in den späten 80er Jahren, verlegt sie aber aus den kargen Weiten der fotogenen isländischen Landschaft in die noch recht frische Weite eines texanischen Staatsparks, der ein Jahr zuvor von einem verheerenden Waldbrand verwüstet wurde. Und dessen desolate Einzigartigkeit als Filmschauplatz wohl auch der Anlass war, warum Green, selbst in Texas aufgewachsen, eilig nach einem Filmentwurf suchte, der sich in dieser verkohlten Wildnis abhandeln ließe. In »Ein anderer Weg«, einem Low-Budget-Projekt mit nur zwei kauzigen Hauptfiguren, fand er ihn.

Seine beiden Helden sind genau das eigentlich nicht: Helden. Zwar verrichten sie in langen Wochen allein zwischen nichts als schwarzen Baumstümpfen und gelegentlichen Hausruinen eine Arbeit für die Allgemeinheit, indem sie die beim Brand verlorene Straßenmarkierung wiederherstellen, die gemalte Mittellinie und die Leitpfosten am Straßenrand. Aber ansonsten sind Alvin (Paul Rudd) und Lance (Emile Hirsch) alles andere als ausgeglichene Vorzeigebürger. Alvin, mürrisch, besserwisserisch und auf einem Selbstbesserungstrip, ist ein Einzelgänger, der nur seiner Freundin zuliebe deren kindlich-spaßversessenen Bruder an seinem Arbeitsprojekt beteiligte - und nun ständig krampfhaft bemüht ist, Lance zu einem verantwortungsvollen Menschen zu erziehen.

Lance, der Arbeitsroutine, Schwager und Einsamkeit nur mit Blick auf das kommende Wochenende und die Hoffnung auf kurzlebige Frauenbekanntschaften übersteht, die ein Besuch in der Stadt so mit sich bringt, widersteht zunächst jedem Erziehungsversuch. Dass sich die beiden Männer trotzdem bis zum Ende des Films annähern, passiert sozusagen unter der Hand - und ist nicht zuletzt den einzigen beiden Menschen geschuldet, denen sie unterwegs begegnen: einem mysteriösen Lastwagenfahrer, der sie mit Alkohol versorgt, und einer alten Frau, die in den Resten ihres Hauses nach Erinnerungsstücken sucht. Und vielleicht selbst ein Geist ist.

Regisseur David Gordon Green findet mit »Prince Avalanche« nach ein paar ästhetisch eher unbedeutenden Filmen im Große-Jungen-Segment des Hollywood-Mainstream zu seiner frühen Hochform als unabhängiger Erfinder kleinerer, personenbezogener Werke zurück - ohne ganz von den Albernheiten der Zwischenphase zu lassen. Wenn das über den Umweg eines Remake passieren muss, warum nicht - das Ergebnis entzückte nicht nur die amerikanischen Kritiker. Auch der Berlinale war es im Februar für einen Wettbewerbsplatz gut genug.

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