Ein Landtagspräsident darf eine Meinung haben

Parlamentarischer Beratungsdienstes verurteilt Gunter Fritsch (SPD) nicht zum politischen Neutrum

  • Lesedauer: 3 Min.
Zum Streit über eine launige Bemerkung bei einer Buchvorstellung bemerkt ein Gutachten, unter bestimmten Voraussetzungen könne sich Sozialdemokrat Fritsch einseitig parteipolitisch äußern.

Potsdam. Wenn sich ein Landtagspräsident in einer politischen Frage parteiisch äußert, dann stellt das allein keine Amtspflichtverletzung dar. Zu diesem Schluss kommt ein Gutachten des Parlamentarischen Beratungsdienstes im Landtag Brandenburg, das sich auf Antrag der CDU mit dem Auftreten von Parlamentspräsident Gunter Fritsch (SPD) bei einer Buchvorstellung im Juli in den Räumen des Landtages befasst. »Denn der Präsident ist kein politisches Neutrum. Er ist keineswegs daran gehindert, sich unter bestimmten Voraussetzungen einseitig parteipolitisch zu äußern.«

Vorgestellt worden war bei dieser Gelegenheit das Buch des Potsdamer Autors Matthias Krauß »Die Kommission - Enquete in Brandenburg. Ein Zeitalter wird besichtigt«. Darin setzt sich der Autor kritisch mit Anliegen, Verfahren und Zielrichtung der Enquetekommission 5/1 »Aufarbeitung der Geschichte und Bewältigung von Folgen der SED-Diktatur und des Übergangs in einen demokratischen Rechtsstaat im Land Brandenburg« auseinander. (Nach einer einstweiligen Verfügung gegen eine Passage des Buches ist eine zweite, überarbeitete, erweiterte und vertiefte Auflage in Vorbereitung.)

In der Enquetekommission, die auf Antrag von CDU, FDP und Grüne vor knapp drei Jahren eingesetzt worden war, ging es den Initiatoren darum, den politisch Verantwortlichen der ersten Nachwendejahre in Brandenburg (Manfred Stolpe, Regine Hildebrandt, Matthias Platzeck) Fehler und Versagen nachzuweisen.

Bei der besagten Buchvorstellung hatte der erste Nachwende-Wissenschaftsminister Brandenburgs, Hinrich Enderlein (FDP), seine entschiedene Ablehnung dem Gremium gegenüber zum Ausdruck gebracht. Der FDP-Landesvorsitzende Gregor Beyer verkündete während der Buchvorstellung, seine Fraktion würde den Enquete-Einsetzungsbeschluss heute nicht mehr unterzeichnen. Zuvor hatte Beyer dem damaligen FDP-Bundestagsabgeordneten Martin Neumann recht gegeben, der die Kommission als »Unfug« bezeichnet hatte.

Ex-Minister Enderlein hatte bei der Veranstaltung eine Rede gehalten, in welcher er die Arbeit der angefeindeten ersten Legislaturperiode verteidigt und einen gerechten geschichtlichen Blick von Historikern auf die damaligen Ereignisse angemahnt hatte. Landtagspräsident Fritsch hatte für das Buch ein Vorwort verfasst, in dem er ausdrücklich darauf hingewiesen hatte, dass nicht jeder die Auffassung des Autors teilen werde, gestand ihm aber zu, dass man die Dinge auch sehen könne wie er.

Weil der Landtagspräsident, der selbst bei der Veranstaltung im Publikum saß, bezogen auf das Auftreten der drei Oppositionsparteien CDU, FDP und Grüne launig von »Frustbewältigung« gesprochen hatte, beantragte die CDU-Fraktion die Prüfung beim Parlamentarischen Beratungsdienst, ob Fritsch damit seine Amtspflicht verletzt habe. Laut Gesetz ist die Amtsführung des Präsidenten durch die Verpflichtung zur Unparteilichkeit geprägt.

Inwieweit allerdings eine Buchvorstellung in den Bereich seiner »Amtsführung« oder in seine »Pflicht zur parteipolitischen Neutralität« eingeschlossen sein könnte, ist der Streitpunkt. Fritsch war in diesem Moment nicht neutral, und er wollte es auch nicht sein, das bescheinigte ihm der Dienst. Der Präsident habe sich »einseitig zuungunsten bestimmter Fraktionen geäußert«. Ob damit allerdings auch eine Amtspflichtverletzung verbunden sei, »ist damit jedoch noch nicht beantwortet«.

Der Beratungsdienst kommt zum Schluss, allein der Landtag selbst könne entscheiden, ob Fritsch die Würde des Landtags verletzt und damit gegen seine Amtspflicht verstoßen hat. Der Sachverhalt gelte »weiter als umstritten«. »Eine Verletzung der weiteren, dem Präsidenten … obliegenden Pflichten durch das in Rede stehende Verhalten bei der Buchvorstellung ist nicht ersichtlich.«

Eine Potsdamer Tageszeitung hatte verbreitet, der Autor des Buches habe der Enquetekommission »Gesinnungsschnüffelei in der Tradition der katholischen Inquisition« vorgeworfen und sie erwecke »den Eindruck einer besonders rabiaten Agitprop-Truppe«. Mit Blick auf den tatsächlichen Buchtext: Diese Behauptungen sind so nicht richtig. nd

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