»Berlusconi an der Moldau«?

Andrej Babis - Milliardär mit eigener Partei

  • Jindra Kolar, Prag
  • Lesedauer: 3 Min.

Ja, Andrej Babiš hat es geschafft. Der milliardenschwere Politneuling hat mit seiner Protestbewegung ANO 2011 aus dem Stand fast 19 Prozent der Stimmen erhalten und ist damit der eigentliche Sieger dieser Wahl. Das Kürzel seiner Aktion unzufriedener Bürger - ANO - heißt im Tschechischen zugleich »ja«.

Babiš fordert eine durchschaubare Investitionspolitik, ein vereinfachtes Steuersystem und die Herabsetzung von Steuern und Mehrwertsteuern. Er will Tschechien wie ein Unternehmen regieren und profitiert von der Enttäuschung vieler Wähler über die Korruptionsskandale vor allem der bürgerlichen Parteien. »Politiker klauen nur«, verkündete Babiš im Wahlkampf über seine Konkurrenz - und verteilte unter anderem Pfannkuchen in der Prager U-Bahn.

Der 1954 in Bratislava geborene Babiš hat seit 1990 eine erstaunliche Karriere gemacht. Manche vergleichen seinen Aufstieg mit dem von Silvio Berlusconi in Italien. Er machte aus seinem Düngemittel- und Futterbetrieb ein Agrarimperium, das längst die Grenzen Tschechiens überschritten hat. Und er stieg anschließend in die Medienindustrie ein und kaufte die Zeitungen »Mlada fronta dnes«, und »Lidove Noviny«. Zwar dementiert Babiš, auf deren Inhalte Einfluss zu nehmen. Doch wer zahlt, bleibt wohl nicht unberücksichtigt.

Sein Vater war in der sozialistischen Tschechoslowakei für den Außenhandel tätig, die Familie verbrachte einige Jahre in Paris und Genf. Nach dem Studium an der Wirtschaftshochschule in Bratislava - er war dem Beispiel des Vaters gefolgt und hatte Außenhandel studiert - begann Andrej seine berufliche Laufbahn im Landwirtschaftsunternehmen Petrimex, in dessen Auftrag er von 1985 bis 1991 in Marokko arbeitete. Nach der friedlichen Spaltung der Tschechoslowakei wurde das Prager Büro von Petrimex aufgelöst. Babiš witterte seine Chance und baute aus dem Nachlass der Firma sein Imperium auf. Zu seiner Holding Agrofert gehören derzeit mehr als 200 Lebensmittel- und Chemieunternehmen mit 28 000 Mitarbeitern. Forbes schätzt sein Vermögen inzwischen auf zwei Milliarden Dollar.

Seit 1980 gehörte er auch der KPTsch an. »Mein Kaderprofil ist nicht ideal«, gab Babiš zu. Die Behörde zur Aufarbeitung der »kommunistischen« Geschichte in Bratislava fand Dokumente, in denen von einer Zusammenarbeit mit der Staatssicherheit die Rede ist. Doch gegen diesen Vorwurf geht Babiš in der Slowakei mit juristischen Mitteln vor. Große Teile des tschechischen Wahlvolks stören sich daran ohnehin kaum noch.

Die Sozialdemokraten jedenfalls könnten seine Partei für eine Regierung gut gebrauchen. Denn die CSSD benötigt viel Geld zur Umsetzung ihrer Pläne. Eine Koalition mit ANO könnte hilfreich sein. Zu etwaigen Koalitionsverhandlungen wird es allerdings noch Zeit brauchen. Am Abend des zweiten Wahltages reiste Babiš erst einmal in eigenen Geschäften nach Paris. Tschechiens Staatspräsident Miloš Zeman räumte ein, dass man der Partei ANO Respekt entgegenbringen müsse und ihr eine Schonfrist von 100 Tagen einräumen sollte, um sich politisch zu entscheiden.

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