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Ecstasy - historisch
Was heute aus Drogenlabors auf die Menschheit losgelassen wird, geht nicht selten auf den Forschereifer von Untertanen des deutschen Kaisers Wilhelm II. zurück.
Amphetamin beispielsweise, ein chemischer Abkömmling des Benzols, wurde erstmals 1887 in Berlin synthetisiert. Ursprünglich als Mittel zum Abschwellen der Nasenschleimhäute verkauft, erkannte man bald seine stimulierende Wirkung. Und so hielten sich im 2. Weltkrieg Bomberpiloten damit wach und Soldaten betäubten die so genannte Kriegsneurose. Nach dem Krieg wurden das Mittel lange frei verkauft, besonders in Japan. Mitte der 1950er Jahre schluckten schon zwei Millionen Menschen Amphetamine als »Muntermacher«.
Auch ein Ableger des Amphetamins, Methylen-Dioxymethamphetamin (MDMA) - heute bekannt als Ecstasy -, wird auf 1891/92 datiert. Die Darmstädter Pharma-Firma E. Merck führte bereits im 19. Jahrhundert in Produktion und Vermarktung von Morphium (ab 1827) und Kokain (ab 1884); das dazugehörige Suchtpotenzial erkannte man erst später. MDMA war ein Beiprodukt ohne medizinischen Verwendungszweck, dennoch wurde das Herstellungsverfahren 1912 patentiert. In den frühen 50er Jahren zeigten die US-Army und die CIA verstärktes Interesse an MDMA - unter anderem als »Wahrheitsdroge« (Codename EA-1475). Obwohl Probanden unter Ecstasy-Einfluss eine erstaunliche Auskunftsfreudigkeit über die eigene Person an den Tag legten, wurde der Stoff »offiziell« dennoch wieder zu den Akten gelegt. Sagt die CIA.
Den Durchbruch brachte dann der amerikanische Chemiker Alexander Shulgin (geb. 1925). Nach ersten Erfahrungen mit Mescalin (einer aus dem Peyote-Kaktus gewonnen Droge) entwickelte er sich zum Drogenerfinder. Shulgin fand 1976 einen neuen Syntheseprozess für MDMA.
Ecstasy, so sein heutiger Name, verstärkt die Ausschüttung von Dopamin (vermittelt Wohlgefühl) und Noradrenalin. Beide putschen auf und wirken dem schlaffördernden Serotonin entgegen: Man fühlt sich hellwach und hat leichte, angenehme Halluzinationen.
Mittlerweile hat Shulgin Hunderte von psychoaktiven Chemikalien synthetisiert und selbst getestet. Lange Zeit besaß er eine staatliche Lizenz für das Arbeiten mit illegalen Substanzen. Leo Zeff, ein Psychiater aus Oakland, wiederum schuf in jahrelanger Kleinarbeit ein riesiges Netzwerk und machte damit für Ecstasy den Weg in die Partywelt frei. Anfang der 90er Jahre fand die Droge über England mit den Ravern den Weg zurück zu den Stätten ihrer kaiserlichen Geburt.
Heiß umstritten ist der Gesundheitsschaden: An Ratten wurden schon nach einmaliger MDMA-Einnahme Langzeitschäden in Hirnzellen festgestellt. Todesopfer forderte MDMA, weil es die Körpertemperatur erhöht. In der Hitze einer Party kann so durchaus eine kritische tödliche Übertemperatur erreicht werden. Seit 1985 steht Ecstasy deshalb auf der Liste der verbotenen Stoffe.
MDMA, der nutzlose Spross der kaiserlichen deutschen Pharmazie, hat es mit viel Schminke doch noch geschafft: als Spaßdroge, die oft keinen Spaß versteht.
Persönlich fände ich die Anwendung vom MDMA als »Wahrheitsdroge« am interessantesten. Ein privater Fernsehsender könnte Spitzenpolitiker zur Talkshow einladen (Vorbild Elefantenrunde bei der Wahl) und MDMA-Cocktails anbieten Titel: »Sag die Wahrheit durch Ecstasy! «
Oh, ich ...
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