Die letzten Fässer sind in Sicht …

Diese Woche wird einer der seltensten Whiskys verkauft - für 1500 Pfund die Flasche

  • Reiner Oschmann
  • Lesedauer: 3 Min.

Diese Woche findet ein Spektakel statt, das ein regengepeitschtes Fischerdorf auf der westschottischen Insel Islay endgültig so berühmt wie einige Weinbaugemeinden von Bordeaux oder Burgund machen wird: Port Ellen, nicht halb so bekannt wie der Malzwhisky gleichen Namens, gibt 2950 Flaschen »Port Ellen« in den Verkauf, und Eigentümer Diageo, weltweit führender Premiumhersteller von harten Drinks, Wein und Bier mit Marken wie Smirnoff, Johnnie Walker und Guinness, Baileys, J&B und Captain Morgan bietet sie zu 1500 Pfund (ca. 1800 Euro) an. Pro Flasche.

Der Erfolg des Vorhabens steht nicht in Frage, im Gegenteil. Man rechnet damit, dass binnen einer Woche die Flasche bei eBay für den doppelten Preis gehandelt wird, und das kommt so: Port Ellen ist ein Single Malt Whisky, der seit 30 Jahren nicht mehr gebrannt, folglich von Jahr zu Jahr seltener, schwerer erhältlich und daher bei Sammlern immer begehrter und auf dem Markt immer teurer wird. Nach den Worten von Nick Morgan von Diageo kommen »die letzten Fässer Port Ellen in Sicht, und in einer Dekade könnten sie weg sein.«

Die Destille hatte 1983, in einer Branchenkrise, als Whisky zunehmend als elitärer Drink elitärer und tattriger Altherren in Tweed-Anzügen galt, den Betrieb eingestellt. Nur die Mälzerei, die eine der Grundzutaten für guten Scotch Whisky, Gerste, röstet, beliefert bis heute andere renommierte Inselbrennereien wie Lagavulin und Caol Ila.

Der Ausverkauf auf höchstem Niveau wird neben der wachsenden Verknappung des Gegenstands vor allem vom neuen, weltweiten Boom der Whiskyindustrie begünstigt, die trotz erstklassiger Einzelmarken nirgends einen Stellenwert wie in Schottland besitzt. Robin McKie schrieb im »Observer«, die Branche boome, »neue Brennereien werden gebaut, Lagerhäuser erweitert und die Einfuhr von Gerste als wichtigster Whiskyzutat gesteigert. Die Zeichen für schottischen Whisky stehen bestens.«

Tatsächlich war Mitte Juni an der Speyside im Nordosten, wo sich fast die Hälfte aller schottischen Destillen befindet und ein leichterer, fruchtiger und blumiger Whisky als in den Highlands oder eben auf Inseln wie Islay oder Skye entsteht, die Brennerei Glen Keith knapp 15 Jahre nach ihrer Stilllegung wiedereröffnet worden. Die britischen Whiskyexporte sind seit 2007 um 51 Prozent auf zuletzt 4,3 Milliarden Pfund gestiegen. Im selben Jahr, 2012, verließen 1,2 Milliarden Flaschen »Lebenswasser« (so die Eigensicht) Schottlands Gestade. Hinzukamen im letzten Jahr 800 Millionen Pfund, die der britische Fiskus aus der Besteuerung des Hochprozentigen bei Inlandsverkäufen einnahm.

Obgleich der Whiskykonsum in Westeuropa stagniert (Hauptabnehmer in Europa: Weinland Frankreich) oder rückläufig ist, ist der Durst nach dem goldenen Schotten in den neuen Mittelschichten rund um den Globus, namentlich in China und Taiwan, Russland, Südamerika und Afrika, enorm. Sich mit einem echten Schotten auf dem Sideboard zu schmücken, ist zudem Statusfrage, und wenn es statt einem der gängigsten Marken-Mischwhiskys wie Johnnie Walker ein Single Malt aus einer einzigen Brennerei ist, umso besser. Es wirkt wie die weitere, späte Bestätigung einer Beobachtung Truman Capotes: »Die junge Generation hat auch heute Respekt vor dem Alter, allerdings nur noch bei Wein, Whisky und Möbeln.« Dass Johnnie Walker oft stellvertretend genannt wird, erklärt sich damit, dass er - vor Ballantine’s und Chivas Regal - der mit Abstand meistverkaufte Scotch weltweit ist.

Foto: fotolia/Africa Studio

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