Kein prima Klima für Tempelhof

Die vom Senat angestrebte Randbebauung habe negative Folgen, kritisiert ein TU-Forscher

  • Ben Mendelson
  • Lesedauer: 3 Min.
Bis Ende der Woche dürfen Bürger Stellungnahmen zu den Bebauungsplänen abgeben - danach sind sie nicht mehr gerichtsfest.

Nur noch bis Freitag können Berlinerinnen und Berliner bei der zuständigen Senatsverwaltung für Stadtentwicklung ihre Bedenken bezüglich der Zukunft des Tempelhofer Feldes äußern. Dann endet die »frühzeitige Bürgerbeteiligung« und damit die Möglichkeit, beim Senat Stellungnahmen zu den Bebauungsplänen abzugeben. Angesichts der näher kommenden Frist veranstaltete die Bürgerinitiative »100 Prozent Tempelhofer Feld« (THF 100) am vergangenen Wochenende ein Treffen, um Experten und Bürger zusammenzubringen.

Ein ähnliches Gespräch gab es bereits zuvor, um die aktuellen Bebauungspläne von Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD) zu kommentieren. Bei dem Gespräch kamen den Aktivisten allerdings einerseits die klimatischen Aspekte und andererseits die persönlichen Befindlichkeiten aus der Bevölkerung zu kurz.

Neue Erkenntnisse bezüglich der klimatischen Auswirkungen einer Randbebauung auf dem Feld erläuterte jetzt der Landschaftsplaner und Architekturforscher Marco Schmidt von der TU Berlin. Er kritisierte die Modelle der Tempelhof Projekt GmbH zur Klimaverträglichkeit auf dem Feld, die sich größtenteils auf Computersimulationen stützten und damit die Probleme des Eingriffs am geplanten Regenrückhaltebecken falsch darstellten.

Zudem gebe es nach geltendem Naturschutzgesetz ein Minderungsgebot. Demzufolge müssten Eingriffe in den Naturhaushalt, sofern sie überhaupt durch übergeordnete Interessen gerechtfertig würden, in geminderter Form erfolgen. Dies ist jedoch, auch nach Meinung von THF 100, nicht beachtet worden. Nur dadurch, dass das alte Regenrückhaltebecken nördlich des Columbiadamms für neue Sportflächen zugeschüttet werde, verbessere der Senat noch nicht die Wasserqualität der Stadt. Denn das »hochgradig verschmutzte Wasser vom Columbiadamm wird weiterhin mit dem leicht verschmutzten Wasser vom Tempelhofer Feld in den Landwehrkanal geleitet«, wie ein Aktivist von »100 Prozent Tempelhofer Feld« gegenüber »nd« sagte. Zudem wurde deutlich, dass mit den geplanten Bauten weitere Bebauungen einhergehen, über die heute der Senat noch nicht redet. Die Experten wiesen darauf hin, dass das Wasserbecken, das durch einen begehbaren, einige Meter hohen Damm ergänzt wird, mehrfache Negativauswirkungen auf das Feld habe. Die gravierendste ist für Aktivisten wie Anwohner die deutlich höhere Lärmbelastung. Denn der Schall nehme mit der Anzahl an Reflektionsflächen zu, was vor allem für die Ränder des Feldes zum Problem werde.

Dass deshalb ein Lärmschutzwall auf dem Feld errichtet werden müsste, sieht die Senatsverwaltung offenbar nicht so. Dort sei man der Ansicht, die Wohnungen am Tempelhofer Damm lägen ohnehin über der zulässigen Schallgrenze, weshalb eine weitere Steigerung keine Rolle mehr spiele.

Kritisiert wurde der rot-schwarze Senat auch dafür, dass nie ein Konzept für die Nicht-Bebauung des Feldes erarbeitet und den Bürgern vorgestellt wurde. Für den Erhalt des Status quo auf dem Tempelhofer Feld läuft das Volksbegehren von THF 100. Bereits über 45 000 Unterschriften liegen der Initiative vor, wie sie am Dienstag gegenüber »nd« mitteilte. Bis Mitte Januar wollen sie 200 000 Unterschriften gesammelt haben, um einen Volksentscheid herbeizuführen.

Doch zunächst sollen möglichst viele Bürger ihre Stellungnahmen zu den Plänen des Senats abgeben - auch im eigenen Interesse: Denn »alle Einwendungen, die bis Freitag nicht gemacht worden sind, können in einer weiteren Stufe der Bürgerbeteiligung nicht mehr gerichtsfest gemacht werden«, sagte ein Aktivist der Initiative. Ein Eigentümer, der beispielsweise zu spät auf eine Wertminderung hinweise, könne dann nicht mehr dagegen klagen.

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