Kino gegen Kissinger

Studierendenvertreter der Uni Bonn sprechen sich gegen Lehrstuhl zu Ehren des Ex-US-Außenministers aus

  • Harald Neuber
  • Lesedauer: 2 Min.
Mit der Idee einer Stiftungsprofessur zu Ehren von Henry Kissinger sind viele Studierende der Universität Bonn gar nicht einverstanden. Mit Veranstaltungen wollen sie jetzt über dessen Geschichte aufklären.

An der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn formiert sich der Widerstand gegen eine geplante Stiftungsprofessur zu Ehren des ehemaligen US-Sicherheitsberaters und Außenministers Henry Kissinger. Nach Kritik von Nichtregierungsorganisationen und Wissenschaftlern haben sich nun auch die studentischen Vertretungen klar gegen das Vorhaben positioniert. Sie beanstanden sowohl die Wahl des Namensgebers als auch die Finanzierung des auf fünf Jahre angelegten Lehrstuhls »für internationale Beziehungen und Völkerrechtsordnung«: Eine Viertel million Euro soll ausgerechnet vom Bundesverteidigungsministerium kommen, weitere 50 000 Euro von Außenministerium.

Nun hat das Studierendenparlament der Universität Bonn die Namensgebung und das bisherige Finanzierungskonzept abgelehnt. Es sei fraglich, ob Henry Kissinger aufgrund der von ihm verantworteten Politik als Vorbild für Wissenschaft und Lehre des Völkerrechts geeignet sei, gaben die Delegierten zu bedenken. Zum anderen lasse die Finanzierung vermuten, dass die wissenschaftliche Unabhängigkeit des Lehrstuhls nicht gewährleistet sei. »Wir fordern die Universität auf, Maßnahmen zu ergreifen, welche die Unabhängigkeit der Forschung und Lehre von Stiftungsprofessuren sicherstellen«, heißt es in dem Mehrheitsbeschluss. Dazu gehöre vor allem ein transparentes Verfahren bei der Berufung und der inhaltlichen Ausrichtung. Auch müssten die Verträge zwischen Stiftern und der Universität offengelegt werden.

Der Allgemeine Studierendenausschuss (AStA) der Universität verwies indes darauf, dass Kissinger unter Verdacht steht, für Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit verantwortlich zu sein. Es seien »Gerichtsverfahren in mehreren Ländern anhängig, denen er sich bis heute nie gestellt hat«, heißt es in einer Stellungnahme des Gremiums. Die AStA-Vorsitzende Alena Schmitz ist sich sicher: »Diese Verweigerungshaltung gegenüber den Versuchen gerichtlicher Aufklärung unterstreicht die kontroverse Rolle Kissingers.« Solange die bestehenden Beschuldigungen nicht restlos ausgeräumt sind, sei die beabsichtigte akademische Ehrung nicht akzeptabel. Auch die Finanzierung wird vom AStA kritisiert: »Die Direktfinanzierung eines Lehrstuhls durch das Verteidigungsministerium ist ein Novum«, merkt AStA-Pressesprecherin Charlotte Schwarzer-Geraedts an. Dies sei als »unzulässige Einmischung in die zivile Hochschullandschaft« zu werten.

Ein Bündnis hochschulpolitischer Gruppen will nun über Kissingers Geschichte aufklären. Nach dem Ausscheiden des LINKEN-Bundestagsabgeordneten Paul Schäfer, der in Bonn sein Wahlkreisbüro unterhalten hatte, haben die Grünen die Initiative übernommen. »Die Grüne Hochschulgruppe (GHG) konzentriert sich zusammen mit dem Arbeitskreis Nord-Süd der Bonner Grünen auf die universitäre Ebene«, sagte GHG-Sprecher Lukas Mengelkamp gegenüber »nd«. Inzwischen sei eine Koordination mit anderen Gruppen wie Jusos, Piraten und der linken Gruppe LUST eingerichtet worden. Die Beteiligten wollen Mitte November mit Vortrags- und Diskussionsveranstaltungen starten. Den Beginn macht der Film »Vermisst« des griechisch-französischen Regisseurs Constantin Costa-Gavras aus dem Jahr 1982 über die Verbrechen nach dem Chile-Putsch.

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