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m–? Blair attackiert den »roten« Ken

Linkskandidat soll nicht Londoner OB werden Von Ian King, London

  • Lesedauer: 3 Min.

Die Angriffe des Labour-Establisments dürften jedoch Ken Livingstones Beliebtheit als »Underdog« verstärken. Tony Blair wäre also gut beraten, die Personalfrage niedriger zu hängen und an die ungelösten Probleme des Landes zu denken. Die Arbeitslosenzahl sinkt, die Wirtschaft boomt zwar, aber für Schulen, Krankenhäuser, Massenuniver sitäten, Busse und Bahnen, nicht zuletzt auch für Rentner muss endlich mehr Geld her.

Blair kämpft verbissen gegen die Aufstellung Livingstones als Londoner Ober bürgermeisterkandidat, weil dieser beweisen könnte, auch und gerade Linke seien wählbar. Als Labour Vorsitzender im Großlondoner Stadtrat zwischen 1981 und 1986 war Livingstone in der Tat umstritten. Einladungen an Sinn Fein-Führer, deren Freunde von der IRA in London Bomben zündeten, werden ihm noch heute übel genommen; auch das konse-

Tony Blair will Ken Livingstone aus dem Londoner OB-Rennen werfen Fotos: dpa, Oschmann

quente Eintreten für diskriminierte Minderheiten brachte die konservative Presse zum Schäumen. Doch blieb Livingstone als Gegenspieler der rabiaten Margaret Thatcher bei den Wählern beliebt, nachdem die Premierministerin die Abschaffung des Londoner Stadtrates beschloss und durchsetzte. 1987 wurde er Abgeordneter, zehn Jahre später schlug er einen Ministerposten aus, als unabhängiger Freigeist führt er souverän in der Gunst der Londoner.

Das ließ Blair und seine New Labour Getreuen nicht ruhen: Ein linientreuer Kandidat musste her. Da die begabte Schauspielerin Glenda Jackson der Rolle nicht gerecht wurde, fiel die Wahl auf Frank Dobson. Der bärtige Haudegen blickt auf eine erfolgreiche Karriere als Gesundheitsminister zurück und sucht eine neue Aufgabe. Doch Blair beließ es nicht bei Ermutigung und Schulterklopfen für Dobson, sondern manipulierte ungeniert die Kandidatensuche. Da Livingstone eine Urwahl unter Labours 62 000 Mitgliedern in London gewonnen hätte, mussten andere Gruppen an der Wahl beteiligt sein: Die 75 Labourabgeordneten mit einem Drittel der Stimmen, Gewerk schaftler, Genossenschaftler und andere Anhänger mit einem weiteren Drittel. Damit wiegt die Stimme des Blair und Dobsontreuen Ministers Keith Hill 800- mal schwerer als die eines einfachen Mitglieds. Das preußische Dreiklassenwahlrecht des 19 Jahrhunderts lässt grüßen.

Die Schiebung geht weiter. Die größte Einzelgewerkschaft in London und die stärkste Genossenschaft der Hauptstadt werden nicht einmal ihre Mitglieder befragen (»Zu teuer!«), sondern ihren ganzen Stimmblock für Dobson abgeben. Eine Adressenliste aller Londoner Mitglieder gelangte aus dem Hauptquartier Millbank an die Dobson-Kampagne, die daraufhin eine Brief- und Anrufaktion startete. Ein obskurer Parteirat versuchte gar, Livingstones Kandidatur zu verbieten ohne Erfolg.

Im Februar entscheidet sich, ob Livingstone oder Dobson Labour in die Wahlschlacht um den Londoner Oberbür germeisterposten im Mai führt. Wenn der rote Ken bei den Mitgliedern siegt, aber durch die Manipulation des Gewerk Schaftsblocks und Druck auf die Abgeordneten insgesamt durchfällt - zur Zeit das wahrscheinlichste Ergebnis - soll ihm keine Zeit bleiben, als Unabhängiger zu kandidieren. Blair argumentierte in Bloomsbury »Wir waren 18 Jahre lang in der Opposition, und ich möchte niemals dorthin zurückkehren.« Blair behauptet, es gehe bei der Entscheidung für oder gegen Livingstone um die Seele und die Zukunft der Partei. Gerade deswegen hoffen viele auf einen Livingstone-Sieg.

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