Die Forderung muss sein: Mehr Geld

Heidi Pommerenke über Tarifpolitik, Umverteilung sowie das Verhältnis zwischen PDS und Gewerkschaften

Unter der Überschrift »Nichts mehr zu verteilen?« findet am kommenden Wochenende die 8. Gewerkschaftspolitischen Konferenz der PDS in Mannheim statt. Das Treffen, das die Bundestagsfraktion in Zusammenarbeit mit der AG betrieb & gewerkschaft durchführt, wird sich vor allem der Frage widmen, ob es bei der Verteilung des gesellschaftlich produzierten Reichtums einen Politikwechsel gegeben hat oder die von der Kohl-Regierung forcierte Umverteilung von unten nach oben fortgesetzt wurde. Weitere Foren behandeln aktuelle Fragen der Tarifpolitik. Als Referenten wurden neben Abgeordneten der PDS-Fraktion auch zahlreiche Gewerkschafter gewonnen. Roland Claus stellt als Vorsitzender der PDS-Bundestagsfraktion deren Position zur Verteilungspolitik dar; Christa Luft nimmt sowohl das Verteilungsproblem zwischen West und Ost, als auch die Steuerpolitik von Rot-Grün unter die Lupe. Außerdem werden der Politikwissenschaftler Frank Deppe, die Parlamentarische Geschäftsführerin der Bundestagsfraktion, Heidi Knake-Werner, der langjährige Vorsitzende der IG Medien, Detlef Hensche, der DGB-Landesvorsitzende Berlin/Brandenburg, Dieter Scholz und der bayerische ver.di-Vorsitzende Michael Wendl Beiträge in die Debatte einbringen. Vor der Konferenz sprach Tom Strohschneider mit Heidi Pommerenke. Die 48-Jährige ist eine von sechs Bundessprecherinnen und Bundessprechern der Arbeitsgemeinschaft betrieb & gewerkschaft bei der PDS und arbeitet bei der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di in Stuttgart.

ND: Kurz vor der Tarifrunde 2002 mahnen Unternehmen und Politik erneut Zurückhaltung. Für einen »großen Schluck« aus der (Lohn-)Pulle stehen die Chancen schlecht. Gibt es wirklich »nichts zu verteilen«?
Zu verteilen gibt es eine ganze Menge. Man muss nur schauen, wo das Geld hinwandert. Weder das Bruttoinlandsprodukt ist gesunken noch die Produktionsrate. Der Staat zahlt Milliarden für einen Krieg und auch die horrenden Unternehmensgewinne in den letzten Jahren sprechen für sich.

ND: Dennoch wird allerorten in das große Krisen-Klagelied eingestimmt. Bundespräsident Johannes Rau (SPD) hat Unternehmer und Beschäftigte aufgefordert, »an einem Strang zu ziehen«. Ein richtiger Weg?
Im öffentlichen Dienst haben die Beschäftigten natürlich ein Interesse daran, dass der Laden läuft - ziehen also gewissermaßen mit dem »Unternehmer« Staat an einem Strang. Wer sonst kümmert sich um Daseinsfürsorge und Infrastruktur, Kindergärten, Sozialämter. Andererseits müssten gerade in diesen Bereichen, in dem ich hier bei ver.di arbeite, vielmehr Menschen eingestellt und vor allem vernünftig bezahlt werden.

ND: Aber die Tendenz geht doch in eine andere Richtung. Wir rücken wieder auf die vier Millionen Arbeitslosen zu.
Hier sind politische Lösungen gefragt, etwa eine Stärkung der Binnennachfrage durch eine kräftige Lohnerhöhung. Deshalb ist es fatal, wenn die Signale für die Tarifrunde 2002 in eine entgegengesetzte Richtung gehen. Die Forderung muss vielmehr sein: Mehr Geld.

ND: Kommt so etwas bei den Beschäftigten überhaupt an? Die hören doch täglich, die öffentlichen Kassen seien leer, die Konjunktur stecke in der Krise. Und derzeit sieht es auch eher nach einem Tarifabschluss im Rahmen des Inflationsausgleichs aus.
Darüber wird sicher nicht nur hier bei mir zu Haus in Stuttgart heftig diskutiert. Man wird aber sehen, ob wir als ver.di und als linke Gewerkschafter insgesamt die Kampfkraft entwickeln können, um zu sagen: zwei Prozent reichen nicht. Bei der IG Metall etwa gibt es Forderungen, angefangen bei Porsche, die 200 Euro als Festgeld verlangen, statt auf Prozenterhöhungen zu setzen. Das könnte im übrigen auch ein Weg sein, die Einkommensschere zu Gunsten der unteren Lohngruppen zu schließen. Anderswo wird auf eine betriebliche Erfolgsbeteiligung gesetzt oder ein 3-Prozent-Kurs eingeschlagen. Im öffentlichen Dienst steht derzeit die Arbeitssicherung im Vordergrund. Die Frage nach der richtigen Tarifforderung lässt sich nicht über einen Kamm scheren. Die »Den-Gürtel-enger-schnallen«-Rhetorik hilft uns aber auf keinen Fall weiter. Das Arbeitsbündnis hat nicht zu mehr Beschäftigung geführt und seit Jahren stagnieren die Reallöhne.

ND: Da stellt sich natürlich auch die Frage nach der Rolle Gewerkschaften, die diese Entwicklung in den letzten Jahren nicht nur im Bündnis für Arbeit mitzuverantworten haben. Die Folge: Mitgliederschwund, schwerfälliger Apparat, Vertrauensverluste. Wie sieht die Zukunft der Gewerkschaften aus?
Die Gewerkschaften müssten sich wieder stärker um ihre Mitglieder kümmern. Tarifarbeit ist zwar wichtig, aber die in den Statuten festgeschriebene Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen geht darüber hinaus.

ND: Was könnte das für die praktische Ausrichtung der Gewerkschaften heißen?
Sich beispielsweise stärker an den Interessen der jungen Leute zu orientieren. Es reicht nicht, von denen zu verlangen, sich in Gremien wählen zu lassen und dann für vier Jahre dort zu hocken. Mit lebendiger Gewerkschaftsarbeit hat das nichts zu tun. Kein Wunder also, dass sich Leute von der Organisation abwenden. Da spielt vielleicht auch die traditionelle Nähe zur Sozialdemokratie eine Rolle. Dieses Verhältnis wird nicht nur wegen des Krieges und der Wirtschaftspolitik immer fragwürdiger.

ND: Gibt es auf dieser politischen Ebene keine Alternativen?
Das ist schwierig. Aus der PDS-Arbeitsgruppe heraus haben wir es zum Beispiel nicht leicht, den Kontakt zu den Kollegen in den Betrieben zu verstärken. Dort tun sich viele schwer, den Blick auch einmal in eine andere Richtung - zum Beispiel zur PDS - zu wenden.

ND: Das könnte doch aber auch an der PDS liegen?
Sicher spielt das eine Rolle. Wenn ich aus der Partei Diskussionen höre, dass Tarifverträge den Arbeitnehmern schaden, kann ich nur den Kopf schütteln. Oder die Programmdebatte: Mit Formulierungen wie »berechtigtes Gewinninteresse« wird man die Kollegen in den Betrieben nicht erreichen. Den Kapitalismus als das zu benennen, was er ist, und daraus auch kämpferische Schlüsse zu ziehen, muss doch bei der PDS möglich sein. Demokratisch ganz unterschiedliche Themen angehen und dabei inhaltliche Traditionen nicht verschütten - das könnte ein Ansatz sein...

ND: ...auch im Hinblick auf gewerkschaftliche Themen?
Gerade. Das Aktionsprogramm, das auf der 7. Gewerkschaftspolitischen Konferenz verabschiedet worden ist, könnte ein Maßstab sein. Die PDS sollte sich dann aber auch stärker danach fragen, wie ein Aktionsbündnis mit den Gewerkschaften aussehen könnte. Derzeit sehe ich hier noch Nachholbedarf. Dass Gespräche zwischen PDS und Gewerkschaften jetzt überhaupt regelmäßig stattfinden, ist aber schon ein Fortschritt.ND: Kurz vor der Tarifrunde 2002 mahnen Unternehmen und Politik erneut Zurückhaltung. Für einen »großen Schluck« aus der (Lohn-)Pulle stehen die Chancen schlecht. Gibt es wirklich »nichts zu verteilen«?
Zu verteilen gibt es eine ganze Menge. Man muss nur schauen, wo das Geld hinwandert. Weder das Bruttoinlandsprodukt ist gesunken noch die Produktionsrate. Der Staat zahlt Milliarden für einen Krieg und auch die horrenden Unternehmensgewinne in den letzten Jahren sprechen für sich.

ND: Dennoch wird allerorten in das große Krisen-Klagelied eingestimmt. Bundespräsident Johannes Rau (SPD) hat Unternehmer und Beschäftigte aufgefordert, »an einem Strang zu ziehen«. Ein richtiger Weg?
Im öffentlichen Dienst haben die Beschäftigten natürlich ein Interesse daran, dass der Laden läuft - ziehen also gewissermaßen mit dem »Unternehmer« Staat an einem Strang. Wer sonst kümmert sich um Daseinsfürsorge und Infrastruktur, Kindergärten, Sozialämter. Andererseits müssten gerade in diesen Bereichen, in dem ich hier bei ver.di arbeite, vielmehr Menschen eingestellt und vor allem vernünftig bezahlt werden.

ND: Aber die Tendenz geht doch in eine andere Richtung. Wir rücken wieder auf die vier Millionen Arbeitslosen zu.
Hier sind politische Lösungen gefragt, etwa eine Stärkung der Binnennachfrage durch eine kräftige Lohnerhöhung. Deshalb ist es fatal, wenn die Signale für die Tarifrunde 2002 in eine entgegengesetzte Richtung gehen. Die Forderung muss vielmehr sein: Mehr Geld.

ND: Kommt so etwas bei den Beschäftigten überhaupt an? Die hören doch täglich, die öffentlichen Kassen seien leer, die Konjunktur stecke in der Krise. Und derzeit sieht es auch eher nach einem Tarifabschluss im Rahmen des Inflationsausgleichs aus.
Darüber wird sicher nicht nur hier bei mir zu Haus in Stuttgart heftig diskutiert. Man wird aber sehen, ob wir als ver.di und als linke Gewerkschafter insgesamt die Kampfkraft entwickeln können, um zu sagen: zwei Prozent reichen nicht. Bei der IG Metall etwa gibt es Forderungen, angefangen bei Porsche, die 200 Euro als Festgeld verlangen, statt auf Prozenterhöhungen zu setzen. Das könnte im übrigen auch ein Weg sein, die Einkommensschere zu Gunsten der unteren Lohngruppen zu schließen. Anderswo wird auf eine betriebliche Erfolgsbeteiligung gesetzt oder ein 3-Prozent-Kurs eingeschlagen. Im öffentlichen Dienst steht derzeit die Arbeitssicherung im Vordergrund. Die Frage nach der richtigen Tarifforderung lässt sich nicht über einen Kamm scheren. Die »Den-Gürtel-enger-schnallen«-Rhetorik hilft uns aber auf keinen Fall weiter. Das Arbeitsbündnis hat nicht zu mehr Beschäftigung geführt und seit Jahren stagnieren die Reallöhne.

ND: Da stellt sich natürlich auch die Frage nach der Rolle Gewerkschaften, die diese Entwicklung in den letzten Jahren nicht nur im Bündnis für Arbeit mitzuverantworten haben. Die Folge: Mitgliederschwund, schwerfälliger Apparat, Vertrauensverluste. Wie sieht die Zukunft der Gewerkschaften aus?
Die Gewerkschaften müssten sich wieder stärker um ihre Mitglieder kümmern. Tarifarbeit ist zwar wichtig, aber die in den Statuten festgeschriebene Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen geht darüber hinaus.

ND: Was könnte das für die praktische Ausrichtung der Gewerkschaften heißen?
Sich beispielsweise stärker an den Interessen der jungen Leute zu orientieren. Es reicht nicht, von denen zu verlangen, sich in Gremien wählen zu lassen und dann für vier Jahre dort zu hocken. Mit lebendiger Gewerkschaftsarbeit hat das nichts zu tun. Kein Wunder also, dass sich Leute von der Organisation abwenden. Da spielt vielleicht auch die traditionelle Nähe zur Sozialdemokratie eine Rolle. Dieses Verhältnis wird nicht nur wegen des Krieges und der Wirtschaftspolitik immer fragwürdiger.

ND: Gibt es auf dieser politischen Ebene keine Alternativen?
Das ist schwierig. Aus der PDS-Arbeitsgruppe heraus haben wir es zum Beispiel nicht leicht, den Kontakt zu den Kollegen in den Betrieben zu verstärken. Dort tun sich viele schwer, den Blick auch einmal in eine andere Richtung - zum Beispiel zur PDS - zu wenden.

ND: Das könnte doch aber auch an der PDS liegen?
Sicher spielt das eine Rolle. Wenn ich aus der Partei Diskussionen höre, dass Tarifverträge den Arbeitnehmern schaden, kann ich nur den Kopf schütteln. Oder die Programmdebatte: Mit Formulierungen wie »berechtigtes Gewinninteresse« wird man die Kollegen in den Betrieben nicht erreichen. Den Kapitalismus als das zu benennen, was er ist, und daraus auch kämpferische Schlüsse zu ziehen, muss doch bei der PDS möglich sein. Demokratisch ganz unterschiedliche Themen angehen und dabei inhaltliche Traditionen nicht verschütten - das könnte ein Ansatz sein...

ND: ...auch im Hinblick auf gewerkschaftliche Themen?
Gerade. Das Aktionsprogramm, das auf der 7. Gewerkschaftspolitischen Konferenz verabschiedet worden ist, könnte ein Maßstab sein. Die PDS sollte sich dann aber auch stärker danach fragen, wie ein Aktionsbündnis mit den Gewerkschaften aussehen könnte. Derzeit sehe ich hier noch Nachholbedarf. Dass Gespräche zwischen PDS und Gewerkschaften jetzt überhaupt regelmäßig stattfinden, ist aber schon ein Fortschritt.

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