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  • MARGARETE HANNSMANN: »Protokolle der Dämmerung»

Viel mehr als nur Briefe!

  • Christel Berger
  • Lesedauer: 3 Min.

der Erfahrung des Faschismus, eines Geistes. Die Fans von Franz Fühmann, Margarete Hannsmann und HAP Grieshaber sollten sich dieses Kleinod nicht entgehen lassen.

Kennen gelernt haben sich die drei Anfang der 70er Jahre auf einem Buchbasar in Rostock zur Ostseewoche. Die mann schließlich zu Lesereisen in die BRD durfte, chauffiert die Freundin auch ihn, und zwischendurch schrieben sie sich lange Briefe: über ihre Erlebnisse und die Freuden und Qualen bei der Arbeit. Als Margarete Hannsmann nicht mehr die Nr. 1 bei Grieshaber war, konnte sie ihren Kummer darüber bei Fühmann ablassen, und der war ein rechter Tröster- Wie ein großer Bruder war er streng und mitfühlend zugleich. Der Schmerz um den Tod Grieshabers machte das Band zwischen beiden noch enger, und schließlich kam die Krankheit Fühmanns mit einer hoffnungslosen Diagnose, an die beide lange nicht glauben wollten.

Die Tochter Franz Fühmanns, Barbara Richter, hatte die Veröffentlichung der Margarete Hannsmann: Protokolle aus der Dämmerung. 1977 1984. Begegnungen und Briefwechsel zwischen Franz Fühmann, Margarete Hannsmann und HAP Grieshaber. Hinstorff Verlag. 401 S., geb., 49,90DM.

Briefe nur gestattet, wenn Margarete Hannsmann selbst die Herausgeberin ist. Und diese Bedingung macht das Buch zu einem Glücksfall. Margarete Hannsmann kann in ihrer Situation auch noch Jahrzehnte nach dem Tode der beiden Freunde, die zeitweise ihr Lebensinhalt waren - nicht nüchtern kommentieren. Was «Protokolle» genannt wird, sind Erinnerungen, ist die Befreiung aus einem langen Gefühlsstau, manchmal mehr Verklärung als Erklärung, lyrische Prosa - literarische Trauerarbeit im besten Sinne, ohne nur traurig zu sein, denn dazu ist diese Frau Gott sie Dank viel zu lebendig. Ganz anders in der Form, aber in der Wirkung auf den Leser ähnlich wie bei ihrem Buch «Pfauenschrei», erzählt sie ihre persönlichen Erlebnisse. Der Leser taucht ein in eine Welt, in der künstlerische Arbeit und gesellschaftliches Engagement, Freundschaft, Liebe, Eifer sucht, gegenseitige Hilfe und gegenseitige Forderung und immer wieder Engagement, Kreativität, Zweifel und Bestätigung «Lebenssinn» sind. Im Nachhinein erschüttert, wie ernst und dringend Fühmann der Freundin Faulheit verbot und auch für sich die Arbeit über das Leben stellte. Für ihn war Leben vor allem Arbeit. Und dann der gegenseitige Zuspruch bei gelungenen Texten! Die Kriterien waren hoch, umso größer die Freude und das Lob, wenn sie übertroffen waren.

Selbstverständlich galt das auch für die Briefe. Die Schreiber waren sich bewusst, dass jeder Brief Freundschaftsdienst, Botschaft und Literatur in einem

war, und deshalb ist es gut, dass die Öffentlichkeit nun davon Kenntnis erhält.

Einzig die von Brigitte Selbig besorgten Anmerkungen halte ich für zu knapp. Uneingeweihte, die die Beziehungen zwischen Hannsmann, Grieshaber und Fühmann samt Vorgeschichten nicht kennen, dürften es schwer haben.

Eine der bedeutendsten Lyrikerinnen deutscher Sprache: Sarah Kirsch. Zu ihrem 65. Geburtstag hat Franz Heinrich Hackel eine erste Gesamtausgabe zusammengestellt. «Gedichte und Prosa. Werke in fünf Bänden» (1264 S., im Schuber, 78 DM).

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