Steine klopfen, um zu überleben
Das Unterwelten-Museum erinnert an die harte Aufbauarbeit der Trümmerfrauen
Sie waren gerade mal 16, 19 oder 21 Jahre alt und leisteten schon Schwerstarbeit: die Trümmerfrauen von Berlin. Der Bildhauer Fritz Cremer würdigte ihren Einsatz mit der überlebensgroßen Skulptur »Trümmerfrau«, die vor dem Roten Rathaus in Mitte neben der Bronzeplastik eines Aufbauhelfers steht. Auch zum 60. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus wurde im vergangenen Jahr an ihre Leistungen erinnert. »Aber sie selbst kamen dabei kaum zu Wort«, bemerkte Adelheid Schardt. Die Pä-dagogin suchte daraufhin Zeitzeuginnen und befragte sie. Was heißt es, täglich mit bloßen Händen Steine aus Ruinen zu holen, sie mit einem Hammer vom Mörtel zu befreien und dann an den Baustellen aufzustapeln? Auf diese Weise sollen bis 1949 fünf Millionen Kubikmeter Schutt bewegt worden sein.
In der Ausstellung »Immer da! Trümmerfrauen und Aufbauhelfer einst & heute« im Unterwelten-Museum, Gesundbrunnen, füllt Schardt bloße Zahlen mit Leben. Auf Foto-Text-Tafeln sind die Erinnerungen von acht Trümmerfrauen und einem Aufbauhelfer festgehalten. Einige der Porträtierten sind inzwischen weit über 80 Jahre alt, die jüngeren von ihnen klopften noch Anfang der 50er Jahre Steine an der damaligen Stalinallee, heute Karl-Marx-Allee, in Friedrichshain, dem ersten großen Wiederaufbauvorhaben der DDR.
Die Schau erweitert das Unterwelten-Museum in einem Luftschutzbunker neben dem U-Bahnhof Gesundbrunnen. Dort versucht der Verein Berliner Unterwelten, auf 1500 Quadratmetern die Schrecken des Bombenkrieges wach zu halten. Zur Eröffnung vor einer Woche erlebte der neue Ausstellungsteil einen ersten Ansturm, als zur Langen Nacht der Museen 2270 Interessierte in die unterirdischen Räume strömten. Zu besichtigen ist die Präsentation nur während der 90-minütigen Führungen durch den authentisch erhaltenen Ort.
Eine Schuttlore auf originalem Gleis, einfache Hämmer, Kopftücher und Schürzen veranschaulichen die primitiven Arbeitsbedingen. Doch nicht nur Steine wurden wiederverwendet, sondern auch Soldatenhelme zu Kochtöpfen, Munitionshülsen zu Geschirr umgearbeitet, wie in einer Vitrine zu sehen ist. Die Bedürfnisse der Überlebenden des Krieges waren einfach: »Es ging immer nur um den Haushalt und darum, die Kinder durchzubringen. Zu mehr war keine Zeit«, wird eine Zeitzeugin zitiert.
Doch die Mädchen hatten auch Träume, die sich von denen heutiger Jugendlicher sehr unterscheiden: »Einmal im Leben Buttercremetorte essen, nur ein einziges Mal«, war 1949 der sehnlichste Wunsch einer damals 16-Jährigen. Da lagen schon harte Jahre hinter ihr: Wasser holen von der Pumpe, Holz suchen zum Kochen und bei der Schuttbeseitigung helfen.
Der Aufbauhelfer Walter B. bedauert immer noch das Schicksal der Frauen, die diese harte Arbeit verrichten mussten: »Für viele war es eine völlig ungewohnte Schufterei. Immer die Steine in den wunden Händen. Viele haben geweint.« Als Lohn winkte anfangs kein Geld, aber immerhin zusätzliche Lebensmittelmarken. Später gab es manchmal nur 72 Pfennige für eine Stunde Arbeit. Eine Buttercremetorte...
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