Mit Kriegslist aller Art

Die Bundeswehr auf den Spuren der »Brandenburger«

Im Jahre 334 v.u.Z. begann Alexander der Große seinen so genannten panhellenischen Rachefeldzug. Er richtete sich gegen Herrscher im Nahen und Mittleren Osten. Hatten doch die Heerscharen aus dem »Reich des Bösen« die Akropolis, Symbol der griechischen Kultur, zerstört. »Drei-drei-drei, bei Issos Keilerei«, erinnert ein Schulreim an den Sieg des Makedonierkönigs im November des Jahres 333 v.u.Z. über die Perser. Mit seinem Heer marschierte er anschließend weiter gen Osten, erreichte im Laufe der Jahre das heutige Afghanistan und Indien. Über 2000 Jahre später erhalten spezielle Bundeswehreinheiten den Marschbefehl für ihren Einsatz am Hindukusch. Sie werden unweigerlich Spuren folgen, die deutsche Soldaten, verdeckt eingesetzt, dort im Zweiten Weltkrieg hinterließen. Am 1. November 1942 wurde aus dem Lehrregiment »Brandenburg« die gleichnamige Division gebildet. Aufgabe dieser Sondereinheit, die dem Amt Ausland/Abwehr des Oberkommandos der Wehrmacht (OKW) unterstand, war laut der vom OKW-Chef Keitel unterzeichneten Geheimen Kommandosache Nr. 325/43: »a) Kampfeinsatz zur Inbesitznahme taktisch, operativ oder kriegswirtschaftlich wichtiger Objekte zwecks Sicherung oder Zerstörung. b) Kampfeinsatz im Kleinen Krieg im feindlichen Hinterland. c) Taktische und operative Aufklärung in Tarnung. Der Sondereinsatz von Einheiten der Division Brandenburg soll den Gegner durch Anwendung von Kriegslisten aller Art täuschen und durch Überraschung eine örtlich und zeitlich begrenzte Kampfüberlegenheit herstellen.« Die Division galt als »Kampfinstrument des Bewegungskrieges« und operierte in Afghanistan, im heutigen Pakistan und in Indien. Zum Einsatz kamen vor allem die »Legionärskompanie«, das 1. bis 3. Regiment des »Tropenbataillons«, die Fallschirmjägerkompanie des 4. Regiments sowie die Nachrichtenabteilung der Division. Bereits ab 1938 hatten Wehrmachtsoffiziere in Afghanistan ein effektives Spionagenetz aufgebaut und aufstandswillige Stammesfürsten für Deutschlands Interessen »eingekauft«. Das Operationsgebiet reichte tief in die damalige britische Kronkolonie hinein. Einzelne Mitarbeiter des Amtes Ausland/Abwehr operierten unter Tarnung der deutschen Botschaft. Einer dieser Offiziere war Oberleutnant Witzel. Im September 1941 forderte er aus Berlin u.a. medizinische, ingenieur- und funktechnische sowie karthographische Unterstützung an. Am 30. Mai 1942 meldete er aus Kabul, dass »Fakir«, einer der angeworbenen Fürsten, über 22000 Stammeskrieger unter Waffen habe. Sie stünden für einen Aufstand gegen die Mächte der Antihitlerkoalition bereit. Ausgerüstet seien sie zu 90 Prozent mit britischen und zu je fünf Prozent mit russischen bzw. französischen Waffen. Es mangele allerdings an Munition. »Die Zahl der Kämpfer«, so Witzel weiter, werde »schnell auf 100000 anwachsen, wenn der Kampf gegen die Briten erst einmal richtig anfängt«. Das Amt Ausland/Abwehr des OKW hatte jedoch befohlen, Aufstände erst dann »loszutreten«, so die Weisung vom 3. März 1942, wenn gesichert sei, dass die Wehrmachtoffiziere im Hintergrund und unentdeckt blieben. Einsatzfähig war in Afghanistan auch eine aus Wehrmachtbeständen stammende Funkstation. Wie Witzel informierte, könne diese jedoch erst dann in Betrieb genommen werden, wenn die unter »Mazottis« kämpfenden Männer eine entsprechende Ausbildung abgeschlossen hätten. »Mazotti« war der Deckname des Inders Subhas Chandra Bose, der sich im Kampf um die Befreiung seiner Heimat vom britischen Kolonialjoch auf die deutsche und japanische Seite geschlagen hatte und seine »Indische Nationalarmee« gegen die Truppen der Antihitlerkoalition ins Feld führte. Als er sich 1941 in Deutschland aufhielt, war ihm großzügige Hilfe zugesagt worden. Beträchtliche Summen gewährten Berlin und Rom jedoch vor allem den Stammesführern der Pashtunen. Im Februar 1942 zahlten Offiziere des Amtes Ausland/Abwehr an ihre afghanischen Einflussagenten 50000 Reichsmark aus, im Juli des Jahres nochmals 300000 Afghanis, d.h. etwa 54000 Reichsmark. Offiziere der Wehrmachtspionage förderten in Afghanistan, wie aus Aufzeichnungen vom 11. November 1942 hervorgeht, »den Einsatz von Funkern, die verdeckte Entsendung von kleineren Kampfgruppen in die Grenzgebiete« sowie »die Organisierung von Sabotageakten in Nordindien«. Deutschland knüpfte zielgerichtet an antibritische Haltungen an, die es noch heute gibt, wie die jüngste Forderung der Nordallianz nach Abzug der britischen Special forces aus Bagram belegt. Es gab in Berlin seinerzeit aber auch kritische Stimmen. So warnte der Chef der Ostabteilung des Auswärtigen Amtes Melchers am 3. Juni 1942 den Stellvertretenden Staatssekretär Woermann vor »abenteuerlichen Plänen«. Die afghanische Regierung, die sich der geostrategisch bedeutsamen Lage ihres Landes wohl bewusst war, hatte die Achsenmächte zwar über diplomatische Kanäle wissen lassen, sie würde sich ihnen anschließen, allerdings erst, »sobald die Kampfhandlungen im Kaukasus und im Mittleren Osten abgeschlossen« seien. Mit der Kriegswende 1943 wandte sich Kabul von den Achsenmächten ab und der Antihitlerkoalition zu. Es kam nicht mehr zu dem mit Hashim Chan und Naim Chan, dem afghanischen Premierminister und seinem Stellvertreter, abgesprochenen Einfall afghanischer Truppen in die UdSSR. Witzel und sein Mitarbeiter Doch mussten im Herbst des Jahres das Land am Hindukusch verlassen. Gleich ihnen zogen sich die anderen Agentenführer zurück, deponierten jedoch zuvor befehlsgemäß ihre Spionageausrüstung wie Fotoapparate, Handfeuerwaffen und Geld. Die Agentur blieb. Manches von heute erinnert an gestern. Unverändert geblieben ist die Bestechlichkeit von Stammesfürsten, allerdings nimmt man heute nicht mehr Reichsmark, sondern Dollar; und gezählt wird nicht in Zehntausenden, sondern in Millionen. Unverändert ist auch, dass Stammesfürsten heute diesem und morgen jenem dienen, übermorgen beiden in den Rücken fallen. Verändert hat sich seit Alexander zweierlei: Während der König mit seinen Soldaten in den Krieg gezogen ist, bleiben Scharping & Co. am heimischen Herd. Und während Alexander Städte wie Herat, Bagram, Gh...

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