Am Roten Teppich wird geübt
Im Schatten des Glamours: Die Promi-Chauffeure der Berliner Filmfestspiele
»Endlich ist die Zettelwirtschaft vorbei«, ruft mir einer der Fahrer erfreut zu. Dann verlässt er das Koordinationsbüro der Fahrbereitschaft in einem der Hochhäuser am Potsdamer Platz. Wilfried Erdmann hat einen Auftrag. Er fährt schon lange prominente Gäste der Berlinale durch die Stadt. Mit seinen fast weißen, elegant gewellten Haaren und seinem Charakterkopf fällt er auf. Die meisten Fahrer sind jünger, aber alle tragen schwarzen Anzug, weißes Hemd, bordeauxfarbene Krawatte mit einem ganz zarten Nadelstreifen in Anthrazit. Sehr distinguiert.
Corporate Identity nennt man das. Vor allem aber wird Teamgeist erwartet. Im ziemlich engen Büro, in dem immer einige Fahrer auf Aufträge warten, ist die Atmosphäre unaufgeregt und gelassen. Man versteht sich gut. Keiner spricht zu laut. Keiner raucht.
Die Firma, die seit vier Jahren die Fahrdienste während des Internationalen Filmfestivals in Berlin leistet, benutzt seit letztem Jahr ein fast unfehlbares Arbeitsschema. Die Übersicht über etwas mehr als eine Woche über die Einsätze von Fahrern und Fahrzeugen ist online verfügbar. Filmteams können anmelden und prüfen, wann sie wie viele Fahrzeuge benötigen, um Schauspieler, Regisseure, Produzenten durch die Stadt zu befördern. Einer der Ehrengäste der Berlinale in diesem Jahr ist die schwedische Schauspielerin Harriet Andersson. Sie gehört zu den wenigen noch lebenden »Traumfrauen«, denen die Retrospektive über die Stars der 50er Jahre gewidmet ist. Audrey Hepburn, Grace Kelly, Marilyn Monroe, Anna Magnani, Ingrid Bergman, Hildegard Knef, Brigitte Bardot, Elizabeth Taylor, nicht zu vergessen Tatjana Samoilowa - zu ihren Ehren hat der Festival-Sponsor, der die Limousinen stellt, auf dem Weg zum European Film Market im Martin-Gropius-Bau eine Schlange von 25 Pkw aufgereiht. Deren Milchglasscheiben lassen nur von der Beifahrerseite den Blick durch ein Guckloch ins Innere zu, wo Fotos und Filmausschnitte des jeweiligen Stars zu sehen sind. So bekommen auch Interessenten ohne Karten oder Akkreditierung einen winzigen Einblick ins Festivalgeschehen.
Kein Punkt in Flensburg
Ein guter Promifahrer ist wenigstens ein bisschen informiert über seine berühmten Fahrgäste. Wenn doch nicht, dann kann er sich im Koordinationsbüro über das Internet auf die Schnelle ein paar Grundkenntnisse zusammenklauben. Weil das Durchschnittsalter der Fahrer um die 30 liegt, dürften sie wohl eher George Clooney oder Matt Damon kennen als Harriet Andersson.
Gregor Wilkening, der die Schwedin chauffieren soll, studiert Geschichte und Wirtschaft an der Uni Potsdam und unterrichtet vielleicht demnächst an einer Berufsschule. Aber auch dann will er seinen Fahrer-Nebenjob auf keinen Fall aufgeben. Über Harriet Andersson erfährt er, dass sie in den 50ern von Ingmar Bergman entdeckt wurde. Ihr wohl berühmtester Film ist »Sommaren med Monika« (Sommer mit Monika), der gegen das bürgerliche Wohlverhalten der sexuell so verklemmten 50er Jahre rebellierte. Ein Szenenfoto zeigte sie mit einer dünnen, weit aufgeknöpften Strickjacke - damals höchst gewagt. Der französische Regisseur François Truffaut soll das berühmte Foto aus einem Kino gestohlen und die Rebellion der Film-Monika zum Vorbild für seinen Alter-Ego-Helden Antoine Doinel im Debütfilm »Les Quatre Cent Coups« (Sie küssten und sie schlugen ihn) genommen haben.
Die Berliner Promichauffeure werden für ihren Job regelrecht gecastet. Es geht nicht um landläufige Schönheitsideale. Aber alle müssen ein angenehmes Erscheinungsbild bieten, gute Umgangsformen nicht nur kennen, sondern auch pflegen, natürlich einen Personenbeförderungsschein besitzen, medizinisch untersucht sein und ihre Ortskunde beweisen. Und das trotz der mittlerweile in allen 28 Limousinen und 7 Prominenten-Shuttles eingebauten Navigationssysteme. Natürlich dürfen sie keinen einzigen Punkt in Flensburg haben.
Gespräch nur auf Wunsch
Wird jemand vom Flughafen abgeholt, dann nimmt der Fahrer für die Damen einen handlichen, nicht zu großen Blumenstrauß mit. Außerdem werden Getränke, Erfrischungstücher und die jeweils neue Ausgabe des englischsprachigen Filmmagazins »Screen« bereit gehalten. Auf dem Weg zum Hotel dürfen die Fahrer ungefragt nicht reden, Unterhaltung findet nur auf Wunsch des Fahrgastes statt. Fremdsprachenkenntnisse sind erwünscht. Bei der Fahrt zur Pressekonferenz sollen sie bei Bedarf ihre psychologischen Fähigkeiten erproben, indem sie auf die meist doch ziemlich nervösen Schauspieler, Regisseure und Produzenten beruhigend einwirken. Natürlich erfährt man von den Fahrern nichts über ihre Begegnungen mit den Berühmtheiten. Verschwiegenheit gehört zum Job.
Wenn man mit den etwas älteren Fahrern redet, hört man von den unterschiedlichsten Berufserfahrungen. Da ist Uli Welmering, der eine kaufmännische Laufbahn als Airline Manager hinter sich hat, ab und an als Model arbeitet. »Meine Luftfahrtgesellschaft hatte in Berlin kein Standbein und ich wollte vor 13 Jahren der Liebe wegen gern in diese Stadt, und dann bin ich halt hier hängen geblieben.« Er findet aber, dass er »die Grundbedingungen meines Berufes, der schon immer mit Gästebetreuung zu tun hatte«, bei der Fahrbereitschaft gut einsetzen kann. Er ist zufrieden, »weil dieser Beruf so abwechslungsreich ist, weil man keinen Chef hat und die Urlaubszeit selbst wählen kann. Außerdem bin ich schon als Student Taxi gefahren.«
Uli Welmering sitzt gerade mit zwei Kollegen beim Mittagessen. Eben wurde die Truppe des Oskar-Roehler-Films »Elementarteilchen« mit fast 30 Autos zur Pressekonferenz gebracht. Ein kleines Kunststück der Logistik, denn nicht alle der vielen Beteiligten wohnen im selben Hotel, müssen aber möglichst zum selben Zeitpunkt ankommen. Eine Herausforderung sind auch die Red-Carpet-Fahrten, wenn die Promis am berühmten Roten Teppich vorgefahren werden. Solche Fahrten werden vor der Berlinale schon mal geübt, damit keine Pannen passieren, wenn alle Medien auf die Stars warten.
Gerd Boche hat früher als Soziologe gearbeitet, später in einer Buchhandlung. Wohlweislich hat er den Taxischein aus der Studienzeit aufbewahrt und inzwischen ein Dienstfahrer-Gewerbe angemeldet. Er schließt sich der Meinung seines Kollegen Stephan Wentz an, der lange bei einem Taxi-Unternehmen arbeitete: »Wie man durch das Großstadtgewühl und seine häufigen Staatsbesuchskolonnen sicher und schnell durchkommt, das ist ja noch viel kniffliger, als Kreuzworträtsel zu lösen. Auf jeden Fall macht uns das viel Spaß«. Und schon müsse...
Corporate Identity nennt man das. Vor allem aber wird Teamgeist erwartet. Im ziemlich engen Büro, in dem immer einige Fahrer auf Aufträge warten, ist die Atmosphäre unaufgeregt und gelassen. Man versteht sich gut. Keiner spricht zu laut. Keiner raucht.
Die Firma, die seit vier Jahren die Fahrdienste während des Internationalen Filmfestivals in Berlin leistet, benutzt seit letztem Jahr ein fast unfehlbares Arbeitsschema. Die Übersicht über etwas mehr als eine Woche über die Einsätze von Fahrern und Fahrzeugen ist online verfügbar. Filmteams können anmelden und prüfen, wann sie wie viele Fahrzeuge benötigen, um Schauspieler, Regisseure, Produzenten durch die Stadt zu befördern. Einer der Ehrengäste der Berlinale in diesem Jahr ist die schwedische Schauspielerin Harriet Andersson. Sie gehört zu den wenigen noch lebenden »Traumfrauen«, denen die Retrospektive über die Stars der 50er Jahre gewidmet ist. Audrey Hepburn, Grace Kelly, Marilyn Monroe, Anna Magnani, Ingrid Bergman, Hildegard Knef, Brigitte Bardot, Elizabeth Taylor, nicht zu vergessen Tatjana Samoilowa - zu ihren Ehren hat der Festival-Sponsor, der die Limousinen stellt, auf dem Weg zum European Film Market im Martin-Gropius-Bau eine Schlange von 25 Pkw aufgereiht. Deren Milchglasscheiben lassen nur von der Beifahrerseite den Blick durch ein Guckloch ins Innere zu, wo Fotos und Filmausschnitte des jeweiligen Stars zu sehen sind. So bekommen auch Interessenten ohne Karten oder Akkreditierung einen winzigen Einblick ins Festivalgeschehen.
Kein Punkt in Flensburg
Ein guter Promifahrer ist wenigstens ein bisschen informiert über seine berühmten Fahrgäste. Wenn doch nicht, dann kann er sich im Koordinationsbüro über das Internet auf die Schnelle ein paar Grundkenntnisse zusammenklauben. Weil das Durchschnittsalter der Fahrer um die 30 liegt, dürften sie wohl eher George Clooney oder Matt Damon kennen als Harriet Andersson.
Gregor Wilkening, der die Schwedin chauffieren soll, studiert Geschichte und Wirtschaft an der Uni Potsdam und unterrichtet vielleicht demnächst an einer Berufsschule. Aber auch dann will er seinen Fahrer-Nebenjob auf keinen Fall aufgeben. Über Harriet Andersson erfährt er, dass sie in den 50ern von Ingmar Bergman entdeckt wurde. Ihr wohl berühmtester Film ist »Sommaren med Monika« (Sommer mit Monika), der gegen das bürgerliche Wohlverhalten der sexuell so verklemmten 50er Jahre rebellierte. Ein Szenenfoto zeigte sie mit einer dünnen, weit aufgeknöpften Strickjacke - damals höchst gewagt. Der französische Regisseur François Truffaut soll das berühmte Foto aus einem Kino gestohlen und die Rebellion der Film-Monika zum Vorbild für seinen Alter-Ego-Helden Antoine Doinel im Debütfilm »Les Quatre Cent Coups« (Sie küssten und sie schlugen ihn) genommen haben.
Die Berliner Promichauffeure werden für ihren Job regelrecht gecastet. Es geht nicht um landläufige Schönheitsideale. Aber alle müssen ein angenehmes Erscheinungsbild bieten, gute Umgangsformen nicht nur kennen, sondern auch pflegen, natürlich einen Personenbeförderungsschein besitzen, medizinisch untersucht sein und ihre Ortskunde beweisen. Und das trotz der mittlerweile in allen 28 Limousinen und 7 Prominenten-Shuttles eingebauten Navigationssysteme. Natürlich dürfen sie keinen einzigen Punkt in Flensburg haben.
Gespräch nur auf Wunsch
Wird jemand vom Flughafen abgeholt, dann nimmt der Fahrer für die Damen einen handlichen, nicht zu großen Blumenstrauß mit. Außerdem werden Getränke, Erfrischungstücher und die jeweils neue Ausgabe des englischsprachigen Filmmagazins »Screen« bereit gehalten. Auf dem Weg zum Hotel dürfen die Fahrer ungefragt nicht reden, Unterhaltung findet nur auf Wunsch des Fahrgastes statt. Fremdsprachenkenntnisse sind erwünscht. Bei der Fahrt zur Pressekonferenz sollen sie bei Bedarf ihre psychologischen Fähigkeiten erproben, indem sie auf die meist doch ziemlich nervösen Schauspieler, Regisseure und Produzenten beruhigend einwirken. Natürlich erfährt man von den Fahrern nichts über ihre Begegnungen mit den Berühmtheiten. Verschwiegenheit gehört zum Job.
Wenn man mit den etwas älteren Fahrern redet, hört man von den unterschiedlichsten Berufserfahrungen. Da ist Uli Welmering, der eine kaufmännische Laufbahn als Airline Manager hinter sich hat, ab und an als Model arbeitet. »Meine Luftfahrtgesellschaft hatte in Berlin kein Standbein und ich wollte vor 13 Jahren der Liebe wegen gern in diese Stadt, und dann bin ich halt hier hängen geblieben.« Er findet aber, dass er »die Grundbedingungen meines Berufes, der schon immer mit Gästebetreuung zu tun hatte«, bei der Fahrbereitschaft gut einsetzen kann. Er ist zufrieden, »weil dieser Beruf so abwechslungsreich ist, weil man keinen Chef hat und die Urlaubszeit selbst wählen kann. Außerdem bin ich schon als Student Taxi gefahren.«
Uli Welmering sitzt gerade mit zwei Kollegen beim Mittagessen. Eben wurde die Truppe des Oskar-Roehler-Films »Elementarteilchen« mit fast 30 Autos zur Pressekonferenz gebracht. Ein kleines Kunststück der Logistik, denn nicht alle der vielen Beteiligten wohnen im selben Hotel, müssen aber möglichst zum selben Zeitpunkt ankommen. Eine Herausforderung sind auch die Red-Carpet-Fahrten, wenn die Promis am berühmten Roten Teppich vorgefahren werden. Solche Fahrten werden vor der Berlinale schon mal geübt, damit keine Pannen passieren, wenn alle Medien auf die Stars warten.
Gerd Boche hat früher als Soziologe gearbeitet, später in einer Buchhandlung. Wohlweislich hat er den Taxischein aus der Studienzeit aufbewahrt und inzwischen ein Dienstfahrer-Gewerbe angemeldet. Er schließt sich der Meinung seines Kollegen Stephan Wentz an, der lange bei einem Taxi-Unternehmen arbeitete: »Wie man durch das Großstadtgewühl und seine häufigen Staatsbesuchskolonnen sicher und schnell durchkommt, das ist ja noch viel kniffliger, als Kreuzworträtsel zu lösen. Auf jeden Fall macht uns das viel Spaß«. Und schon müsse...
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