Dieser Text ist Teil des nd-Archivs seit 1946.

Um die Inhalte, die in den Jahrgängen bis 2001 als gedrucktes Papier vorliegen, in eine digitalisierte Fassung zu übertragen, wurde eine automatische Text- und Layouterkennung eingesetzt. Je älter das Original, umso höher die Wahrscheinlichkeit, dass der automatische Erkennvorgang bei einzelnen Wörtern oder Absätzen auf Probleme stößt.

Es kann also vereinzelt vorkommen, dass Texte fehlerhaft sind.

  • Politik
  • Ein Gespräch mit Wassil Bykau

Aufklärung pur, nicht Literatur

  • Ulrike Grohmer
  • Lesedauer: 3 Min.

Wer eigentlich kennt sich aus in Belorussland, dem kleinen, zwischen Polen und Russland gelegenen Staat, der bis zum Anfang der 90er Jahre wichtigstes Tor in die UdSSR war? - Knapp 20 Besucher immerhin kamen am Donnerstagabend zu einem Gespräch mit dem Schriftsteller Wassil Bykau, geboren 1924, in das Literaturforum des Brechthauses.

Bykau war nicht als Schriftsteller angereist. In der Reihe »Modelle der Versöhnung« gab er Moderator Bernhard Maleck und den Zuhörern Auskünfte über »Weißrußland - zwischen Zeiten und Macht«. Wichtiges Anliegen des Mannes, der in den neunziger Jahren Parlamentsabgeordneter war, bevor er 1998 als Präsident des weißrussischen PEN. nach Finnland ausreiste und inzwischen in Deutschland zu Gast ist, ist die umfassende Aufklärung der Öffentlichkeit über die Verletzung der Menschenrechte in seiner Heimat. Belege hierfür sind ihm die Diskriminierung der oppositionellen Parteien ebenso wie die Diskriminierung der Muttersprache, die in den Schulen des Landes unerwünscht ist und als Amtssprache verboten, obwohl mehr als 80 Prozent der Bewohner Belorussen sind. Präsident Lukaschenko hat weißrussisch öffentlich eine »untaugliche Sprache« genannt, er akzeptiert allein Russisch oder Englisch.

Für Bykau ist all dies die Vernichtung eines europäischen Staates mit mittelalterlichen Methoden: Behörden und Massenmedien werden zu Instrumenten eines Polizeistaates, der die Wiedervereinigung mit Russland unter panslawischer Flagge zur offiziellen Regierungsdoktrin erklärt hat. Der Schriftsteller hingegen plädiert für die gleichberechtigte Zusammenarbeit mit Russland, für kulturelle und intellek tuelle Toleranz.

Er kennt die Anhänger Lukaschenkos - die Angehörigen der dem Präsidenten hörigen Bürokratie, die vielen Arbeitslosen, die im Sowjetreich in den Rüstungsbetrieben Arbeit hatten, und jenen Teil der wissenschaftlichen Intelligenz, die auf eine mit neuer Rüstung verbundene Forschung hofft. Die vielen Bauern sind politisch kaum interessiert, sie kämpfen in ihren Kolchosen ums nackte Überleben.

Die ökonomische Lage ist desolat, die Wirtschaft liegt am Boden, die Bevölkerung ist verarmt. Oppositionelle müssen mit Verhaftungen, müssen mit Mord und Brandstiftung rechnen.

Außerdem ist die Opposition zerstritten: Die Notwendigkeit einer demokratischen Allianz ist innerhalb der politisch breitgefächerten Bewegung unbestritten, alle reden davon, nichts geschieht. So hatten sich alle Parteien zunächst vorgenommen, nicht zu den nächsten Wahlen anzutreten, um diese als Farce zu entlarven. Inzwischen haben es sich einige bereits anders überlegt.

Gelegentlich sprach Wassil Bykau an diesem Abend im Literaturforum dann doch über seine Ambitionen als Schriftsteller. So in seiner Antwort auf die Frage, welche »weißen Flecken der Vergangenheit« ihm nach wie vor wichtig sind. Bykau nannte die Zerstörung der Mythen des Krieges und gab zwei Beispiele - den Mythos der führenden Rolle der Partei, deren Kommissare im Krieg zwar überall präsent waren, nicht jedoch die Kämpfe entschieden hätten, und den Mythos von massenhaftem Heldentum. Als Teilnehmer des Zweiten Weltkrieges bestehe er auf dem Heldenmut von einzelnen.

ORB, 22.20 Uhr, Dokumentation

»... dann war mein Leben nicht umsonst - Martin Luther King«: Ein ergreifendes filmisches Porträt über den schwarzen Bürgerrechtler. (Bis 23.50 Uhr)

MDR, 23.20 Uhr, Spielfilm

»Die Glatzkopfbande«. Die DDR Anfang der 60er Jahre: Mit ihrem martialischen Aussehen verschreckt eine Jugendgang die Touristen auf Usedom. Trotz negativer Darstellung der Gang in diesem Film war es unter DDR-Jugendlichen plötzlich »in«, Lederjacken zu tragen und sich die Haare zu scheren. Der Film von Richard Groschopp (Drehbuch: Ulrich Thein) ver schwand daher schnell wieder aus den Kinos. (Bis 0.35 Uhr)

DeutschlandRadio, 19.05 Uhr, Krimi

»Der Doppelmord in der Rue Morgue«.

Eine ungewöhnliche Lesart der berühmten Kriminalgeschichte von Edgar Allan Poe bietet Jörg-Michael Koerbl. (Bis 20 Uhr)

App »nd.Digital«

In der neuen App »nd.Digital« lesen Sie alle Ausgaben des »nd« ganz bequem online und offline. Die App ist frei von Werbung und ohne Tracking. Sie ist verfügbar für iOS (zum Download im Apple-Store), Android (zum Download im Google Play Store) und als Web-Version im Browser (zur Web-Version). Weitere Hinweise und FAQs auf dasnd.de/digital.

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal