Fälscher»Historiker«: Oradour hat es nie gegeben
Ewiggestrige machen mobil gegen Ausstellung »Verbrechen der Wehrmacht«, die am Mittwoch eröffnet wird
Die Gegner der neukonzipierten Ausstellung »Verbrechen der Wehrmacht. Dimension des Vernichtungskrieges«, die am morgigen Mittwoch in Berlin eröffnet wird, rüsten zur Attacke.
Am Sonnabend wollen deutsche Neonazis und Konservative zum größten Aufmarsch der Nachkriegsgeschichte in Berlin gegen die Ausstellung antreten, am letzten Sonnabend trafen sich Altmilitaristen zu einer gespenstischen Schau in Berlin.»Die Linken sind auch nicht mehr das, was sie einmal waren. Nicht einmal eine poplige Demo haben sie zusammengekriegt.« Der Mann, der das sagt, heißt Karl-Heinz Schmick, nennt sich Militärhistoriker und schmückt sich mit dem Titel »Direktor der Forschungsstelle für Militärgeschichte« - vermutlich eine private rechtskonservative Ansammlung. In seinem Hauptberuf jedoch ist der Mann Lehrer für politische Weltkunde und Geschichte und unterrichtete bis vor einem Jahr an einem Steglitzer Gymnasium. In dieser Eigenschaft hat er Schüler mit seinen Geschichtsfälschungen und verdeckten rassistischen Äußerungen terrorisiert, bis sich eine Elterninitiative zur Wehr setzte und seine Suspendierung (bei vollen Bezügen) erzwang.
Dieser Militärhistoriker also hat sich mit einer wütenden Schrift gegen die Wehrmachtsausstellung hervorgetan. Darin schreibt er zum Beispiel: »Die Hinrichtung von Partisanen oder ihren Unterstützern und von Geiseln (z.B. Katalog S. 136f., 144-147, 202ff.) entsprach dem Kriegsrecht; höchstens der Verzicht auf ein Standgericht kann in einigen Fällen moniert werden.« Der Rechtspolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, Klaus-Uwe Benneter, hatte wegen solcher Sprüche Strafanzeige wegen Volksverhetzung gestellt. Doch davon zeigt sich der Mann an diesem Abend unbeeindruckt und legt vor 100 Anhängern der Naziwehrmacht auch gleich kräftig los. Der Krieg im Westen, das war ein richtiger, anständiger Krieg, mit ordentlicher Kriegserklärung. Doch im Osten sei alles anders gewesen. Das war ein schmutziger Krieg. Die Partisanen hätten überhaupt nichts vom Kriegsrecht gewusst. Dagegen hätten sich die deutschen Soldaten fast immer an die sauberen Regeln des Tötens gehalten. Es war die Sowjetunion, die die ersten Kriegsverbrechen begangen hätte.
Die Grußadresse einer Frau Koch wird vorgetragen. Seit fünf Jahren kämpft sie gegen die Reemtsma-Ausstellung und für die Ehre deutscher Soldaten. Wir haben das linke Bollwerk erschüttert, daran wird ein Deutschlandhasser wie Reemtsma nichts ändern, weiß sie stolz zu berichten.
Im nächsten Programmpunkt dieser als politisch-literarischer Abend getarnten Propagandaschau der Unverbesserlichen werden die Gefühle deutscher Soldaten, die ihr Leben im Krieg verloren haben, missbraucht. In ihren letzten Briefen an Eltern oder Freunde sprechen sie von Kampf, Treue, Ehre und Soldatentum. Verblendet von der Naziideologie waren die meisten bereit, sich für einen verbrecherischen Krieg zu opfern, in dem Glauben, ihr Leben für Volk und Vaterland zu geben. Wie sie heute über Krieg und Faschismus denken würden, kann nicht mehr nachgefragt werden.
Schließlich der Hauptredner des Abends, Eberhard Kleffmann, Jahrgang 1927. Auch ein Historiker, der sich die Geschichte zurechtbiegt. Eigentlich sei er ein unpolitischer Mensch, wie er sich selbst charakterisiert, der sich für das Wachsen und Gedeihen der Bundesrepublik aufgeopfert habe. Doch seit Reemtsma deutsche Soldaten, also auch ihn, als Verbrecher eingestuft habe, sei auch er ein Kämpfer für die Ehre der Wehrmacht geworden.
Und nun ist er dabei, den Krieg noch einmal neu zu erfinden. Beispiel Guernica: Am 26. April 1937 legte die faschistische deutsche »Legion Condor« die baskische Kleinstadt in Schutt und Asche. Es gab tausende Tote, die genaue Zahl konnte nie festgestellt werden. Nicht die Stadt sei zerstört worden, sondern nur eine strategisch wichtige Brücke durch 24 Maschinen der Naziflieger. 250 und nicht über Tausend seien durch Bombenfehlwürfe gestorben. Tatsächlich wären es kommunistische Bergarbeiter gewesen , die dem putschenden General Franco verbrannte Erde hinterlassen wollten. Und als Beweis für die Richtigkeit seiner Theorie zitiert er den Maler Pablo Picasso mit Selbstironie. Fazit: Wer sich selbst als Scharlatan bezeichnet, der nehme es auch mit der historischen Wahrheit nicht so genau.
Beispiel Oradour-sur-Glane: Hier ermordete die SS-Division »Das Reich« am 10. Juni 1944 aus Rache für getötete Wehrmachtsoldaten fast sämtliche Einwohner des Dorfes. Die männlichen Dorfbewohner wurden als Geiseln erschossen, Frauen und Kinder in die Kirche gesperrt und diese dann in Brand gesteckt. Für den Historiker Kleffmann war alles anders. Es seien gefangene deutsche Soldaten gewesen, die von den Partisanen umgebracht wurden. Dafür die Franzosen zu töten, sei richtig gewesen. Das entsprach den Kriegsgesetzen. Die Männer der SS-Division hingegen hätten aber versucht, die Frauen und Kinder aus der brennenden Kirche zu retten. Zu dieser Heldentat herrsche eine Verschwörung des Schweigens.
Und so geht es Schlag auf Schlag. Kleffmann leugnet nicht den Massenmord an den Juden. Er macht es anders. Er erzählt die Geschichte eines treuen Staatsdieners, der da sagte, in Auschwitz seien nicht 9 Millionen Juden umgebracht worden, sondern nachgewiesenermaßen nur 930 000. Sofort sei die Faschismuskeule eingesetzt und der Mann aus dem Staatsdienst entlassen worden.
Eine Schande, ist aus dem Saal zu vernehmen, Mörder können in diesem Land frei herumlaufen, doch wer einmal den Arm hebt, wird sofort verurteilt. Die alten Kameraden kommen zum Schluss: So gestärkt werde man der Besudlung der Kriegsgener...
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