Standmixersaugmotor

Skurrile Eigenentwicklungen in Biesdorfer Center

  • Steffi Bey
  • Lesedauer: 3 Min.
Ein bisschen verbeult ist die Karosse schon. Auch ein wenig ungleichmäßig verarbeitet. Trotzdem ist das silbergraue Fahrzeug ein Hingucker. Der flache Zweisitzer ist ein Unikat. Den gab es nirgendwo, den konnte man nicht bestellen oder ersteigern. Den »TO 17-62« hat vor 37 Jahren ein Chemiestudent aus Karl-Marx-Stadt entwickelt und gebaut. Dieter Millner, inzwischen Professor und Leiter des Instituts für Biomedizintechnik im Klinikum Chemnitz, erfüllte sich damit einen großen Traum. Solche Flitzer gab es nicht in der DDR. Vier Jahre entwarf, schraubte und schweißte er an dem Rennwagen. Gefahren ist er mit ihm auch, schließlich war das Fahrzeug amtlich zugelassen. »Es gab immer Aufsehen, wenn ich unterwegs war«, erinnert sich der Wissenschaftler gern zurück. Verzweifelt hätten ihn sogar Polizisten aufgefordert, das Auto lieber stehen zu lassen, um verstopfte Straßen zu vermeiden. Das liegt lange zurück. Fahrtüchtig ist der Flitzer immer noch. Allerdings wird er nicht mehr genutzt. Dafür posiert das schnittige Fahrzeug jetzt auf Ausstellungen. In Berlin wird die Millner-Erfindung erstmals in der Schau »Marke Eigenbau« im Biesdorf Center gezeigt. Neben etwa 30 anderen skurrilen Entwicklungen »Made in GDR«. Was es nicht oder nur schwer zu kaufen gab, wurde von cleveren DDR-Bürgern selbst gemacht. So wie der Standmixer, zusammengesetzt u.a. aus Lampenteilen. Oder eine Laubsäge, die auf der Basis einer Singer-Nähmaschine funktioniert. Modern wirkt auch der 31 Jahre alte Raumheizlüfter. Das handliche, silbergraue Exemplar besteht aus einem Kochtopfgehäuse, Autozubehörteilen wie Radkappen und Lampenring, einem Tankdeckel und Schuhlöffeln als Ventilator. »Das Gerät wurde in einem Gartenhaus genutzt«, sagt Ute Fritzsche, Projektleiterin vom Förderzentrum Pro Chemnitz GmbH. Seit zehn Jahren hat die Firma, die mit ABM-Kräften und jetzt mit Ein-Euro-Jobbern arbeitet, rund 250 ostdeutsche Eigenbau-Exponate gesammelt. Die meisten sind Leihgaben und werden unter verschiedenen Mottos in unterschiedlichen Städten gezeigt. »Die Leute bringen uns von selbst die Sachen, oft werden sie bei Wohnungsauflösungen entdeckt«, berichtet die Projektleiterin. Für Besucher sind die in stundenlanger Heimarbeit entstandenen Gegenstände vor allem amüsant. So baute ein Sachse aus zehn verschiedenen Fahrzeugen und einer Waschmaschine einen Kleintraktor. Ein Ingenieur konstruierte mit Hilfe von Akkordeontastaturen und Staubsaugermotoren eine Orgel für Hausmusik. Gezeigt werden auch eine drehbare, ferngesteuerte Antenne, ein Kindermotorrad mit Beiwagen, Rasenmäher, die auf Kinderwagengestellen thronen, und ein Fernseher, der nur eine butterdosengroße, runde Bildfläche besitzt. Zu sehen sind Couchtische mit selbstkreierten Mosaik-Oberflächen, skurrile Steh- und Nachttischlampen. Das auffälligste Exponat ist aber der »Porsche-Nachbau«. Junge und ältere Herren bleiben davor stehen und klopfen manchmal verstohlen gegen die Karosse. Bis 25.3., 6-20 Uhr, Weißenhöher Str. 108, www.prochemnitz.de.

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