Selen schützt Schilddrüse

Nahrungsergänzungsmittel nur nach genauer Diagnose zu empfehlen

Bei einer vergrößerten Schilddrüse kann heute nicht automatisch von einem Jodmangel ausgegangen werden. Häufiger ist inzwischen eine Autoimmunerkrankung der Schilddrüse geworden, die Autoimmunthyreoiditis. Man nennt die Krankheit nach einem japanischen Arzt auch die »Hashi- moto«-Thyreoiditis.

Zum Ende der Eiszeit haben die Schmelzwasser in Mitteleuropa der Erde teilweise das Jod entzogen und in die Ozeane gespült. Vor der Einführung des Jodsalzes war Jodmangel besonders in Süddeutschland, Österreich und der Schweiz die Ursache für eine Vergrößerung der Schilddrüse, sichtbar als Kropf bzw. Struma. Heute ist eine Autoimmunerkrankung in vielen Fällen wahrscheinlicher. Aufschluss können eine Ultraschalluntersuchung (Sonografie) und eine Blutanalyse geben. Bei einer Autoimmunthyreoiditis zeigt die Schilddrüse ein charakteristisches hypodenses (echoarmes) Echomuster. Im Blut ist die Zahl der Antikörper gegen Schilddrüsengewebe stark erhöht. In Deutschland sind etwa sieben Prozent der Bevölkerung davon betroffen. Frauen tragen ein fünfmal größeres Risiko als Männer. Offensichtlich spielen Veränderungen der Sexualhormone eine Rolle. Insbesondere kann ein Östrogen-Gestagen-Ungleichgewicht, wie es beispielsweise nach einer Geburt, bei der Einnahme bestimmter Anti-Baby-Pillen oder während der Wechseljahre vorkommt, dazu beitragen. Eine nicht zu unterschätzende Ursache ist Stress. Dabei werden in der Schilddrüse vermehrt freie Sauerstoffradikale gebildet, welche die Entzündung der Schilddrüse auslösen. Ein doppelt so hohes Erkrankungsrisiko haben Raucher. Die Veranlagung für die Immun-erkrankung ist erblich bedingt, allerdings kann Jod in großen Mengen die Erkrankung verschlimmern. Mit großen Mengen sind mehr als 500 Mikrogramm (ein Mikrogramm, µg, bezeichnet die Menge von einem Millionstel Gramm) Jod am Tag gemeint. Bevor Jodtabletten wegen eines vermeintlichen Jodmangel-Kropfes eingenommen werden, sollte deshalb stets eine genaue ärztliche Diagnose erfolgen. Handelt es sich um eine Autoimmunerkrankung, sollte die Aufnahme von Jod den normalen Tagesbedarf von 200 µg (Schwangere und Stillende 230 bzw. 260 µg) nicht wesentlich überschreiten. Das erreicht man, indem beispielsweise maximal zwei Portionen Meeresfisch pro Woche gegessen und jodreiche Algen gemieden werden. Achtung: Auch im roten Farbstoff Erythrosin (E 127) ist Jod enthalten. Seit 1991 ist er nur noch für Kirschkonserven zugelassen, wird aber für manche Medikamente eingesetzt. Aufgrund der Beimischung von Jod ins konventionelle Tierfutter liefern Milch und Eier maßgebliche Mengen Jod. Ein Liter Milch enthält 70 bis 120 µg, ein Ei maximal 30 µg. Einem Gramm Jodsalz werden 15 bis 25 µg Jodid zugesetzt. Werden Antikörper gegen Schilddrüsengewebe nachgewiesen, sollte regelmäßig alle drei Monate der Status der Schilddrüsenhormone geprüft werden, da die Autoimmunthyreoiditis in eine Über- oder Unterfunktion übergehen kann. Diese behandelt man entweder mit künstlichen Schilddrüsenhormonen bzw. Medikamenten, welche die Hormonproduktion drosseln. Da Stress die Unruhegefühle bei einer Überfunktion verstärken kann, sollte er gemieden bzw. durch Entspannungsübungen abgebaut werden. Erst 2002 wurde die erste ursächlich wirkende antientzündliche Therapie gegen die Autoimmunerkrankung entwickelt. Mit einer zusätzlichen Gabe von 200 Mikrogramm Selen konnte ein signifikanter Abfall der Antikörper und eine Normalisierung des Ultraschallmusters erreicht werden. Das Spurenelement Selen vermag, freie Radikale zu neutralisieren und wird in der Schilddrüse zur Bildung und Aktivierung des Schilddrüsenhormons Thyroxin benötigt. In den letzten Jahren wurde erkannt, dass bereits ein leichter Selenmangel zu einer Autoimmunthyreoiditis beiträgt. Fisch und Meeresfrüchte enthalten reichlich Selen, aber gleichzeitig auch Jod und können mit Quecksilber belastet sein, einem Gegenspieler des Selen. Kuhmilch enthält durchschnittlich 30 µg Selen pro Liter. Da Selensalze dem Tierfutter zugefügt werden, liefert auch Fleisch maßgebliche Mengen Selen. Für eine langfristige Supplementation sind daher nur ca. 50 µg Selen am Tag in organischer Form zu empfehlen. Allerdings sollte man Selen-Tabletten nicht vor einer genauen Diagnose einnehmen, da eine einseitige Selen-Einnahme einen Jodmangel noch verstärkt. Inwieweit eine rechtzeitige Einnahme von Selen bei Patienten mit Antikörpern gegen Schilddrüsengewebe und dabei noch normalem Hormonstatus die Entwicklung einer Unterfunktion verhindern kann, muss in Langzeitstudien noch bewiesen werden. Mildernde Effekte auf die Entzündung der Schilddrüse haben die antioxidativen Vitamine A, C, E, die der Körper am besten aus frischem Obst und Gemüse der Jahreszeit verwerten kann. Die gleichzeitige Einnahme von Selen und hochdosiertem Vitamin C ist ungünstig, da dies die Selenabsorption hemmt. Eine Ernährung, die reich an Omega-3-Fettsäuren ist, kann die Wirkung von Stress auf den Organismus dämpfen. So sind täglich ein bis zwei Esslöffel Leinöl im Salat ...

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