Angst vor Schwefel im Trinkwasser

Saures Grundwasser kann für die Lausitz und Berlin gefährlich werden

  • Klaus Muche, Cottbus
  • Lesedauer: ca. 2.5 Min.

Der Lausitzer Braunkohletagebau, an dem der Vattenfall-Konzern Milliarden verdient, bedroht die Trinkwasserqualität - auch in Frankfurt (Oder) und Berlin. Der Schwefelgehalt könnte auf 500 Milligramm pro Liter steigen, das Doppelte des zulässigen Wertes.

Hundert Jahre Bergbau haben in der Lausitz Spuren hinterlassen. Die sichtbaren können beseitigt werden, aus Tagebauen werden Seen, aus Kippen Weinberge. Doch auf das Geschehen im Innern des Grundwasserabsenkungstrichters hat niemand Einfluss. Dort dringt das aufsteigende Wasser in die aufgewühlten Bereiche und reichert sich mit Mineralien an, die über Jahrmillionen gebunden im Boden lagen. »Acid Mine Drainage« heißt das internationale Schreckenswort für schwefelbelastetes Bergbauwasser, dessen Weg zu den Verbrauchern länger ist als der des elektrischen Stromes, das aber irgendwann aus den Wasserhähnen kommen könnte. Die Badewasserqualität der Lausitzer Seen leidet weniger unter dem Schwefel als unter dessen Säure. In den Grundwasserreinigungsanlagen wird deshalb kräftig gekalkt, andere Gegenmaßnahmen werden in den Seen erprobt und haben teilweise Erfolg. Probleme aber gibt es, wenn die Wasserversorger nicht auf ausreichendes Grundwasser bauen können. Das ist im Bereich der Spree, vor allem in Berlin und teilweise auch in Frankfurt (Oder) der Fall. Dort wird ein erheblicher Teil des Trinkwassers aus Uferfiltrat gewonnen, wobei Schwefel im Wasser bleibt. Die Wirkung von zu viel Schwefel ist vielfältig. Er hat Auswirkungen auf das Nervensystem und bewirkt Verhaltensänderungen, er stört den Blutkreislauf und die Fortpflanzung, kann das Sehvermögen beeinträchtigen sowie Schäden im Gehirn und im Immunsystem verursachen. Fast alle inneren Organe können in ihrer Funktion gestört werden. Der Grenzwert wurde deshalb auf 240 Milligramm pro Liter festgelegt - natürlich für Erwachsene. Bei Kleinkindern dürften weit geringere Mengen genügen, um etwa die Nieren zu schädigen. Bislang hat sich der Lausitzer Bergbau auf die Neutralisation des sauren Grundwassers konzentriert. Doch einer Studie des Dresdner Grundwasserforschungs- zentrums (DGFZ) zufolge ist das entschieden zu wenig. Denn das Grundwasser steigt weiter nach oben, und zu wenig Flusswasser drückt dagegen. Noch sieben Milliarden Kubikmeter Wasser fehlen dem Untergrund, etwa so viel, wie Berlin in 40 Jahren verbraucht. Wenn dieses Defizit aufgefüllt sein wird, drückt aus Lausitzer Seen und dem Boden ein Wasser in Richtung Spree, das hochgradig mit Schwefel angereichert sein wird. Der Anteil pro Liter Spreewasser kann dann bei 500 Milligramm liegen. »Diese Sulfatlast ist für Berlin, das sein Trinkwasser vorrangig aus Uferfiltrat der Spree erschließt, völlig inakzeptabel«, sagt Professor Ludwig Luckner, Chef des DGFZ. Das ist das Doppelte des zulässigen Wertes. Vorausgesetzt, der Regen bleibt uns so erhalten wie derzeit, denn die Lausitz entwickelt sich mit dem Klimawandel unweigerlich zum Trockengebiet. Ungeachtet der Probleme laufen die Tagebaue weiter, entziehen dem Untergrund weiterhin gigantische Wassermengen und liefern immer neuen Abraum einer Erosion aus, die wieder saures und schwefelhaltiges Wasser produziert. Michael Bender, Wasserexperte der Grünen Liga, meint dazu: »Auch Vattenfall als Betreiber von fünf Braunkohlegruben muss dafür zur Verantwortung gezogen werden. Es kann nicht sein, dass der Steuerzahler die Folgen beseitigt, während Vattenfall Milliardenprofite macht.« Wohl auch aus diesem Grund hat die Brandenburgische Linkspartei jetzt die Landesregierung zur Beantwortung einer Kleinen Anfrage aufgefordert. Die umweltpolitische Sprecherin der Fraktion, Carolin Steinmetzer, begründete das so: »Die Landesregierung darf eine Gefährdung der Trinkwasserqualität nicht verschweigen. Es gilt, verbindliche Grenzwerte für die Einleitung von Sulfaten durch die Braunkohlentagebaue festzuschreiben. Wir verlangen A...

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