Andreas Krusch, Jahrgang 1961, musste 1997 den Krebstod seiner Mutter miterleben. Sein erster Roman »Das böse Wort« entstand unter diesem Eindruck, erzählt jedoch nicht die Geschichte der Mutter. Krusch verfremdet: Seine Heldin Sue, Anfang 40, lebt irgendwo in Amerika. Ihr Hausarzt weist sie »zur Beruhigung« in die berühmte Silverstone-Klinik ein, nachdem Sue einen kirschgroßen Knoten unter der Haut entdeckt hat. Grund zu Sorge sei nicht, sagt er. Doch die Ärzte dort diagnostizieren eine bösartige Geschwulst und entdecken in kürzester Frist Tochtergeschwülste ...
Die Frau, für die das Leben nach der Scheidung neu beginnen sollte, muss lernen, an den Tod zu denken. Ihre Situation und das Unvermögen der anderen, ihre Ängste und Nöte zur Kenntnis zu nehmen, thematisiert der Roman. Der Professor in der Klinik weiß zwar, wie er den Krebs mit chirurgischen Schnitten und mit Chemotherapie zu bekämpfen hat. Seine Aufmerksamkeit gilt dabei aber mehr der Geschulst, als dem Patienten. Und so kann er eine Achtzigjährige nicht verstehen, die gar nicht mehr leben möchte, seit ihr Gatte verstarb. Seine Einstellung prägt die der Schwestern, ihre schwere Arbeit und knappe Zeit tun ein Übriges: Die Patienten werden gut versorgt, nicht umsorgt, auch wenn die Helfer ahnen, dass hier der Schwerpunkt ihrer Arbeit liegen sollte.
Krusch zeichnet diese fatale, im Krankenhausalltag durchaus reale Situation sehr stimmig und genau. Er gibt einerseits sachlich Auskunft und macht zugleich Sues Ängste in ihren Träumen und Erinnerungen, in Selbstgesprächen und den Begegnungen mit den Toten der Klinik nachvollziehbar. Und er dokumentiert ihren Lebenswillen. So lässt er uns aufmerken, dass Mitmenschen, die von der Diagnose Krebs überrascht werden, nicht unser Mitleid brauchen, sondern das Gespräch.
Dies sehr feinfühlig herausgearbeitet zu haben, ist die Leistung dieses Buches. Da erscheint es als lässliche Sünde, dass der Autor seine Leser in der zweiten Hälfte des Buches von Sue und ihrem Schicksal ablenkt: Krusch will den psychischen Hintergrund jeglichen Verhaltens ausloten. Und so erzählt er, warum der Professor den Krebs als Feind bekämpft, warum Schwester Rose von einer fixen Idee verfolgt und schließlich geläutert wird. Neue, andere Geschichten, die mit Sues Lebenskampf kaum etwas zu tun haben.
Andreas Krusch: Das böse Wort. Roman. dtv. 345Seiten, Broschur, 18,50DM.