»Weißes Homeland« in Südafrika

Der Traum von einem »Volksstaat« der Buren scheint noch nicht ausgeträumt zu sein

In der Karoo-Halbwüste haben sich einige Burenfamilien verschanzt, um fernab der südafrikanischen Realität ein Leben nach alter Tradition zu führen. Die Idee der Rassentrennung finden sie auch 12 Jahre nach Abschaffung der Apartheid nicht verwerflich.

An der N12, auf halber Strecke zwischen Kapstadt und Johannesburg, bietet sich dem Reisenden ein für Südafrika ungewöhnliches Bild: In der sengenden Nachmittagshitze schuften weiße Pflücker auf einer Pekannussplantage. Gewöhnlich wird die Knochenarbeit von Schwarzen erledigt, doch wer in Orania leben möchte, muss ohne deren Hilfe auskommen. Hier inmitten der unwirtlichen Karoo-Halbwüste haben Burenfamilien ihr »weißes Homeland« errichtet und führen abseits der südafrikanischen Realität ein Leben nach alter Tradition - ohne Schwarze. 1990 kaufte Carel Boshoff die Barackensiedlung Orania, die einst für Arbeiter eines Staudamms gebaut worden war. Diese kleine Ortschaft in der dünnbesiedelten Provinz Nordkap soll aber nur der Anfang sein. Boshoff möchte Stück für Stück neues Land erwerben und urbar machen. Am Ende soll eine autonome Provinz stehen, ein »Volksstaat« der Buren. Mittlerweile erstreckt sich dieses »Homeland« über 5000 Hektar Land, auf denen fast 700 Menschen siedeln. Das sei zu wenig, meint Boshoff, es brauche 5000 Menschen, um Handel und Kleinindustrie anzusiedeln. Zwar gibt es in Orania auch eine Werkstatt für Fahrzeuge und Landmaschinen und eine Tischlerei, es gibt ein Hotel und Gästehäuser, Schwimmbad und Tennisplätze, vor allem aber finanziert sich die Gemeinde aus den Erträgen der Landwirtschaft. Vor allem Pekannüsse gedeihen in der Gegend. Dazu werden Mais, Weizen, Melonen und Tomaten angebaut. Besonders stolz ist man auf das unterirdische Bewässerungssystem, das modernste in der Provinz. Boshoff ist Schwiegersohn des 1966 ermordeten Architekten der Apartheid und früheren Staatspräsidenten Südafrikas, Hendrik Verwoerd. Unter dem Apartheid-Regime war Boshoff als Dozent an der Universität Pretoria und im »Südafrikanischen Büro für Rassenfragen« tätig. Der heute 78-Jährige ist nicht nur Vorstand der Gemeinde, sondern als Pastor der Niederländisch-Reformierten Kirche auch ihr religiöses Oberhaupt. Die Oranier träumen vom Burenreich, vom eigenen Staat. Sie fühlen sich durch die frühen jüdischen Siedler in Palästina inspiriert und sehen sich als von Gott auserlesene Menschen im verheißenen Land, wie es die Niederländisch-Reformierte Kirche als Rechtfertigung für die Apartheid predigte. Vorerst jedoch haben die Bewohner ihre Gemeinde zum Privatunternehmen erklärt. Als Kommune ist Orania nämlich nicht anerkannt, vom schwarzen Bürgermeister des Distrikts wird sie lediglich toleriert. »Afrikanertuiste«, Heimat der Afrikaaner, ist auf einem Schild am Eingang der Siedlung zu lesen. Afrikaaner oder Buren, die Nachfahren der ersten niederländischen Siedler in Südafrika, machen heute 60 Prozent der 4,5 Millionen Weißen am Kap aus, sehen sich jedoch als bedrohte Minderheit im multiethnischen Südafrika. Ihre Sprache, das Afrikaans, das hier in Orania gesprochen wird, sollte einst zur Unterrichtssprache auch an schwarzen Schulen erhoben werden und gilt in Südafrika nach wie vor als Idiom der Apartheid. Die Einwohner finden die Idee der Rassentrennung auch heute noch, 12 Jahre nach Abschaffung der Apartheid, nicht verwerflich. Es sei der legitime Versuch, die eigene Kultur zu bewahren. Ihrem Selbstverständnis nach sind sie keine Rassisten. Die Kultur der Buren und die der Schwarzen seien einfach zu unterschiedlich. Die Orania möchten unter sich bleiben. Die schwarzen Arbeiter der umliegenden Farmen kommen gelegentlich zum Einkaufen. Ansonsten sind sie hier unerwünscht. Daher ist es kaum verwunderlich, dass den Bewohnern Oranias der Ruf rückständiger Rassisten und Ewiggestriger anhängt. Dabei wollen die meisten von ihnen mit dem einstigen Apartheid-Regime nichts zu tun haben. Nach »Whites only«-Schildern (Nur für Weiße) sucht man vergebens. Angesichts eines Denkmals für Hendrik Verwoerd auf einem Hügel unweit des Dorfes und der alten Flagge der Burenrepublik Transvaal auf den Schulhöfen mag man allerdings nicht recht an die Distanzierung von der Vergangenheit glauben. Die schwarzen Gemeinden in der Umgebung jedenfalls sind nicht besonders gut auf ihre weißen Nachbarn zu sprechen. Anders die weißen Farmer: Die schicken ihre Kinder auf die beiden Schulen Oranias. Die Witwe Verwoerds starb hier vor fünf Jahren. Nach dem überwältigendem Sieg des ANC bei den ersten demokratischen Wahlen in Südafrika 1994 suchte sie in Orania Zuflucht. Ein Jahr später trank sie mit Nelson Mandela in ihrem Haus Tee - eine der großen Versöhnungsgesten des Vaters der Regenbogennation. Ob sich die Vision Boshoffs von einer autonomen Burenprovinz, dem »Orania Volksstaat», erfüllen wird, bleibt äußerst fraglich. In ein paar Jahren wird die Kolonie ohnehin ein Altersheim sein. Die Kinder verlassen die Siedlung, sehen für sich dort keine Perspektive. Politisch haben die Oranier für Südafrika keine Bedeutung. In der Öffentlichkeit werden sie belächelt. »Die Buren trecken wieder«, titelten südafrikanische Zeitungen in Anspielung auf die frühen niederländischen Siedler, die Ende des 19. Jahrhunderts in langen Trecks vor den Engländern in die Karoo-Halbwüste flüchteten. Heute fühlen sich viele weiße Südafrikaner wegen ihrer Hautfarbe diskriminiert, die Sehnsucht nach ein...

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