Mit Kinderwagen schneller in die Kuppel
»Stattreisen« bietet eine babyleichte Tour ohne Hindernisse für Wissensdurstige mit Nachwuchs
»Auch mit kleinen Kindern möchte man ja mal was unternehmen, hat aber meistens Angst, dass sie irgendwann quengeln oder dass es für Menschen mit Kinderwagen schwer überwindbare Hindernisse gibt. Das wird hier nicht der Fall sein«, verspricht Uwe Neirich, nach eigenem Bekunden selbst »erprobter Vater«. Eineinhalb Stunden dauert die Führung, die Zeit wurde bewusst gewählt: »Wir wissen, dass die jungen Damen und Herren dann meist etwas essen und trinken wollen«.
Die erste Station liegt gleich gegenüber vom Bahnhof Friedrichstraße. Vor dem »Tränenpalast« berichtet Neirich: »In diesem Gebäude befand sich die Grenzübergangsstelle, hier begrüßten und verabschiedeten sich die Besucher. Deshalb der Name Tränenpalast. Der komplette Bahnhof Friedrichstraße war Grenzbereich.« Die Veränderungen in der Familienpolitik werden am Beispiel der früheren SPD-Familienministerin Renate Schmidt deutlich gemacht. »Sie bekam vor dem Abitur und ihrer Volljährigkeit, damals in der Bundesrepublik noch 21 Jahre, ein Kind«, erzählt Neirich. »Natürlich« habe sie kein Abitur machen dürfen. Ihr Mann nahm »Elternzeit«, damals etwas Außergewöhnliches.
Dann die Bundestags-Kita als Beispiel für nachwuchsfeindliche Gestaltung. »Sie müssen sich nicht wundern, dass wir einen Umweg machen«, meint Neirich. Die Tagesstätte ist allein über eine Treppe erreichbar, da dem Architekten die Symmetrie wichtiger war. Eine gleich gestaltete Treppe ist auf der anderen Seite der Spree zu finden.
Wer mit seinem Kind hier rein will, muss den Nachwuchs tragen, aber auch den Wagen hochschleppen. Auch an den vorbeiführenden Straßen, der Otto-von-Bismarck-Allee und der Konrad-Adenauer-Straße, hat niemand an Fußgänger gedacht. Hier ist weder eine Ampel noch ein Zebrastreifen zu finden.
Kind samt Wagen sollte dagegen nicht vergessen, wer aus der Reichstagskuppel schauen will, vor der Menschenschlange am Eingang jedoch zurückschreckt. Neirich gibt einen Tipp: »Wer mit Kinderwagen kommt, darf den Behinderteneingang benutzen und muss nicht so lange warten.«
Nächste Führung: 30. 4., 11 Uhr, Bahnhof Friedrichstraße, Ausgang Tränenpalast; Kosten: 8,50 Euro, ermäßigt 6,50 Euro;
www.stattreisen-berlin.de
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