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Der »Regenwurm« im Spinalkanal

Selbst Ärzte kennen die Krankheit mitunter nicht Von Gisela Sonnenburg

  • Lesedauer: 3 Min.

Die Symptome reichen von Seh- und Hörstörungen über Muskel- und Knor pelschwund bis zu Lähmungen. Synngomyelie-Patienten haben meist eine Odyssee durch Arztpraxen hinter sich, bevor ihr Leiden diagnostiziert wird. Die Selbsthilfegruppe Synnx klärt auf: Hier können selbst Arzte noch viel lernen.

Die Hamburgerin Monika Wiese, 46, kichert oft hell. »Gute Laune«, sagt sie, »ist manchmal die beste Medizin.« Kennt man ihren Leidensweg, nötigt ihr Optimismus Respekt ab: Sie hat Syringomyelie, die viele ihrer Opfer bis in den Rollstuhl bringt. Als Wiese zehn war und sich der Leichtathletik verschrieben hatte, bemerkte sie erste Symptome: Muskelzucken, Krämpfe, Schmerzen in den Beinen. Sie solle weniger trainieren, hieß es als sie mit dem Sport aufgehört hatte: Sie habe wohl zu schnell abtrainiert.

Wiese lebte fortan mit den Beschwer den, zog drei Kinder groß, mal humpelnd, mal topfit. Sie haushaltete so rigoros mit ihren Kräften, dass Außenstehende kaum etwas merkten derweil wurde sie von Arzt zu Arzt geschoben, ohne Ergebnis. Erst im November 1999 wurde, weil auch ihre Schultern schmerzten, eine Computertomographie (CT) der Wirbelsäule angeordnet. »Ab in die Röhre«, sagte der Arzt, ohne konkreten Verdacht. Das Er gebnis verblüffte: Auf dem CT-Bild sah es aus, als habe sich ein Regenwurm im Spinalkanal eingenistet. Seitdem nennt Wiese ihre Krankheit schlicht den »Wurm«. Mal ist er größer, mal kleiner, sie spürt es am Grad der Beschwerden.

Was in der CT-Darstellung auch ohne Kontrastmittel sichtbar wird, ist ein Hohlraum im Rückenmark, der sich mit Ner venflüssigkeit füllt. Er rührt von einer Infektion oder kleinen Vernarbung. Bei Stress und Belastung dehnt er sich aus, bei ruhiger Lebensart zieht er sich zusammen. Pathologisch, am toten Körper, ist er seit langem bekannt. Am lebenden Objekt ist der poetische Zungenbrecher Syringomyelie erst nachweisbar, seit es CT gibt. Den Weg ins Medizinerdenken findet der »Wurm« nur langsam. »Bei den Ärz ten fehlt oft das Wissen. Viele kennen die Krankheit nicht, andere wissen nicht, wie sie sie behandeln sollen«, sagt Wiese. So ist die Selbsthilfe der Patienten wichtig und auch Neurologen und Radiologen bitten Wiese um Aufklärung. Im August 2000 gründete sie die Selbsthilfegruppe Syrinx, um Patienten die Einsamkeit mit der Krankheit zu ersparen. 18 Erkrankte gehören derzeit zum festen Kreis, rund 70 den zuvor vermutet, auch auf Psychosomatik schieben Ärzte die Symptome. Die reichen von Hör und Sehstörungen, Migräne und Neuralgien über Inkontinenz und Darmschwäche bis zu Kalkablagerungen sowie Muskel- Knorpel- und Knochenschwund. Verhärtungen, Kribbeln in den Gliedmaßen, Taubheitsgefühl oder Schwindel sind oft erste Anzeichen bis zu Lähmungen kann der »Wurm« führen. Medikamente gibt es bislang nicht. Laut Wiese hilft nur, »was die Nerven beruhigt. Akupunktur, Massagen, autogenes Training«. Operationen sind risikoreich. »Es gibt in Deutschland drei Spezialisten dafür«, meint Wiese. »Tausende Neurochirurgen wenden falsche Methoden an.« So kam mancher, der ins Krankenhaus noch gehen konnte, nach der OP nicht mehr hoch. Da die Anerkennung der Berufsunfähigkeit durch Syringomyelie und ihre Verwandte Hydromyelie - bei der bilden sich außerhalb des Spinalkanals im Rückenmark Kanälchen - neu ist, hält Syrinx hierzu Infos bereit. Bei Modediagnosen wie »Restless Legs Syndrome« und »Chronischem Erschöpfungssyndrom« empfiehlt sich ein CT - auch wenn Ärzte davon oft erst überzeugt werden müssen.

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