Zehn Tipps für Neuemissionen: Beim Zeichnen unbedingt den klugen Kopf bewahren

Wacker Chemie und Patrizia Immobilien haben es bereits geschafft, etliche andere Unternehmen werden folgen: Experten schätzen, dass 2006 bis zu 40 Unternehmen an die Börse wollen. Viele haben es dabei eilig: Denn wenn die Zinsen am Anleihenmarkt weiter steigen und die für 2007 geplante Erhöhung der Mehrwertsteuer näher rückt, könnte sich im zweiten Halbjahr 2006 die Stimmung am deutschen Aktienmarkt wieder trüben. Umso mehr ist bei Neu-emissionen Vorsicht geboten, mahnt die Ing-DiBa. Wer als Privatanleger Aktien von Börsen-Neuzugängen zeichnen will, sollte ein paar Faustregeln beachten, um nicht wie vor ein paar Jahren beim Aktienboom am Neuen Markt auf die Nase zu fallen. Zehn wichtige Tipps im Überblick: 1. Unreife Anfänger meiden: Privatanleger sollten kein Geld für unternehmerische Experimente lockermachen. Der Börsenkandidat müsste deshalb mindestens 50 Millionen Euro Umsatz pro Jahr machen, seit zwei Jahren Gewinne ausweisen und 50 Vollzeitkräfte beschäftigen. Diese 50-2-50-Regel ist sicherlich willkürlich, die Grenze ließe sich auch höher oder niedriger ziehen, aber eine solche K.o.-Regel hilft bei der Vorauswahl. 2. Das Geschäftsmodell checken: Wie bei jedem Engagement am Aktienmarkt müssen sich Interessenten auch mit Börsenkandidaten genau befassen. Hilfreich ist dabei der Börsenprospekt, der in der Regel im Internet auf der Homepage des Unternehmens veröffentlicht ist. Anleger sollten sich bei diesem Check stets fragen, ob der Börsen-Aspirant in einem Markt mit langfristiger Zukunft agiert, und - falls möglich - die Geschäftsdaten mit an der Börse bereits notierten Konkurrenten vergleichen. Lässt sich das Geschäftsmodell ohne große Investitionen leicht kopieren, ist die Gefahr groß, dass das Unternehmen schnell wieder in der Versenkung verschwindet. 3. Auf die Altaktionäre schauen: Bei den Börsengängen verstärkt sich derzeit der Trend, dass die bisherigen Eigentümer einen Großteil ihrer Aktien verkaufen und Kasse machen. Geschieht dies in vollem Umfang, liegt zumindest der Verdacht nahe, dass der Börsenkandidat seine beste Zeit bereits hinter sich hat. Denn die Alteigentümer kennen das Unternehmen normalerweise ja wie ihre Westentasche. Behalten die Altaktionäre dagegen einen Großteil ihrer Aktien weiter, ist dies ein Indiz dafür, dass sie an die Zukunft der Firma - und an Kurssteigerungen - glauben. 4. Die Haltefristen prüfen: Die Alteigentümer sollten nicht nur dem Unternehmen die Stange halten. Sie sollten sich auch dazu verpflichten, ihre Aktienpakete möglichst lange nicht zu verkaufen. Sind diese Fristen nach zwölf, 18 oder womöglich sogar 36 Monaten abgelaufen, verhindert eine möglichst breite Streuung der anderen Aktien, dass durch die Abgabe von Paketen der Kurs nicht abstürzt. Fachleute halten es deshalb für günstig, wenn der Streubesitz nach einem Börsengang mindestens 30 Prozent beträgt. 5. An das Verkaufslimit denken: Anleger sollten stets mit einer Stop-Loss-Order arbeiten. Damit wird die Bank beauftragt, eine Aktie automatisch zu verkaufen, wenn der Kurs eine bestimmte, vorher festgelegte Schwelle unterschreitet. Wie wichtig dies ist, zeigt das Beispiel Premiere. Die Aktie des Bezahl-Fernsehsenders war 2005 bei der Emission stark überzeichnet, am ersten Handelstag kam es deshalb zu deutlichen Kursgewinnen. Anleger, die auf solche schnellen Gewinne nach der Zeichnung spekulierten, aber das Stopplimit vergaßen, sitzen nach dem Tiefflug des Aktienkurses in den vergangenen Monaten auf hohen Verlusten. Das gilt auch für Aktionäre, die kurze Zeit nach dem Börsengang ohne Stop-Loss-Order eingestiegen sind. Auch sie müssen derzeit hohe Verluste mit Premiere verkraften. 6. Manager hinterfragen: Aufstieg und Fall des Neuen Marktes und Börsenstars wie EM.TV zeigen, dass zu viel Gutgläubigkeit viel Geld kosten kann. Je größer die Sprüche des Managements, desto mehr Vorsicht ist geboten. In der Vergangenheit waren solche Aussagen oft nicht mit Fakten unterlegt. Die Ankündigungen hatten nur ein Ziel: den Kurs nach oben zu reden. 7. Den Preis begutachten: Der Preis ist immer umstritten. Der Verkäufer will einen möglichst hohen Emissionserlös herausschlagen, der Käufer dagegen die Papiere günstig erstehen. Und die Analysten sind sich meist nicht einig, wie viel ein Unternehmen wert ist. Privatanlegern bleibt da nur, die öffentlichen Diskussionen zu verfolgen, sich eine eigene Meinung zu bilden und dabei eine Faustregel zu beachten: Der Neuling sollte grundsätzlich günstiger bewertet sein als Konkurrenten, die bereits an der Börse notieren. Einen Hinweis, ob Zeichnungsgewinne zu erwarten sind, gibt der Graumarktpreis, der im Internet zum Beispiel unter www.schnigge.de zu verfolgen ist. Notiert dieser Preis deutlich über der angekündigten Preis-spanne, sind Zeichnungsgewinne wahrscheinlich. Liegt er darunter, drohen schon am ersten Handelstag Kursverluste. Eine Zuteilung nach der Zeichnung ist aber nie garantiert. Selbst bei den Banken, die das Unternehmen an die Börse bringen, und bei Direktbanken, die sich darum bemühen, ihren Kunden Zeichnungsmöglichkeiten anzubieten, gehen Privatanleger häufig leer aus. 8. Bei den Minis aufpassen: Was früher der Neue Markt war, ist jetzt der Entry Standard an der Frankfurter Börse. In diesem Segment können junge und kleine Unternehmen ihre Aktien an der Börse handeln lassen. Teilweise verkaufen sie auch bei der Platzierung Papiere an Privatanleger. Derzeit boomt dieser Markt, doch Vorsicht: Die Unternehmen müssen nicht einmal einen Emissionsprospekt veröffentlichen. Wer hier mitspekulieren will, kann hohe Gewinne - aber auch einen Totalverlust einfahren. 9. Warnsignale registrieren: Wenn am Stammtisch oder im Fitnessstudio wieder am liebsten über Aktien geredet wird und der Nachbar mit Gewinnen prahlt, ist es höchste Zeit, sich von der Börse zu verabschieden. In solchen Phasen sollten Privatanleger Neuemissionen lieber meiden. Die Preise für die Börsenneulinge könnten zu hoch sein. 10. Ein Tagebuch zur Kontrolle führen: Gerade Privatanleger überschätzen ihre Fähigkeiten an der Börse. Experten raten deshalb, ein Anlagetagebuch zu führen. Darin wird zum Beispiel aufgeschrieben, was man sich von einem Investment versprochen hat. Später...

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