Der BND und die Journalisten

Der »Schäfer-Bericht« und die Pressefreiheit - Einblicke mit Ausblick auf wechselseitige Verstrickungen

Nach langen Beratungen und zahlreichen, zeitlich sehr aufwendigen Streichorgien wurde der so genannte »Schäfer-Bericht« veröffentlicht. Die folgenden Auszüge aus dem fast 200- Seiten-Dossier verraten einiges über Geheimdienst-Methoden wie über verschiedene Formen von Verstrickung. Die im Bericht dargestellten Methoden beziehen sich weitgehend auf die Regierungszeit von Helmut Kohl, sie zeigen die Kontinuität in rot-grünen Zeiten und deuten allenfalls aktuelle Verhältnisse an. Ein Link zum vollständigen Bericht - einschließlich zahlreicher Auslassungen - ist auf der Web-Site des Bundestages (www.bundestag.de) zu finden.

Der nachfolgend veröffentlichte Bericht weist Unterschiede zu der ursprünglichen, allein für das Parlamentarische Kontrollgremium (PKGr) bestimmten Fassung auf ...
Viele Personenangaben wurden - zum Teil auf Wunsch der Betroffenen - anonymisiert (z.B. Journalist A, B, C usw.). Gleiches gilt für die Namen vieler BND-Mitarbeiter. Personen, die weder als Journalisten noch als BND-Mitarbeiter identifiziert worden sind und deren Funktion auch nicht aus dem Zusammenhang heraus verständlich ist, werden als »Person A« usw. bezeichnet. Auch Namen von Unternehmen, Vereinen etc. sind unkenntlich gemacht worden.
Textpassagen sind gestrichen worden, wo dies aus Gründen des Geheimnis- oder Persönlichkeitsschutzes geboten und für das Verständnis des Berichts unschädlich erschien.
Dienstvorschriften zum Umgang mit Medienvertretern: Die Zusammenarbeit mit Journalisten mit dem Ziel der Informationsgewinnung ist nach der geltenden Rechtslage und dienstinterner Vorschriften nicht ausgeschlossen. Der BND handhabt »aufgrund ihrer beruflichen Sonderstellung und durch politische Sensibilitäten bedingt« derartige Vorgänge sehr restriktiv. Dem sucht die Dienstvorschrift »Kontakte zu Medien« vom 2. September 1990 Rechnung zu tragen, in der mit Blick auf operative Kontakte zu Medien festgehalten ist, dass bei »Personen, die für Medien tätig sind, ausschließlich nach den Durchführungsbestimmungen zur Verfügung für Operative Personenanfragen (...) zu verfahren ist.
Danach sind Anträge zur Kontaktierung von Angehörigen von Medien vorlagepflichtig. Die Leitung des Dienstes ist vor Erteilung eines Freigabebescheides zu beteiligen.
Diese Vorschriftenlage ist auch im Rahmen der Neuregelung bzw. Erweiterung der Dienstvorschrift im Jahre 1995 bestätigt worden, in der u. a. ausgeführt wird, dass der Vorgang »dem zuständigen Abteilungsleiter persönlich oder seinem nach dem Geschäftsverteilungsplan bestellten Vertreter (...) zur Entscheidung vorzulegen (ist). Bei deutschen Journalisten oder ausländischen Personen, die für deutsche Medien tätig sind, legt der zuständige Abteilungsleiter den Vorgang dem Präsidenten zur Entscheidung vor«.
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Mancher »Verein« will Zeitung lesen, bevor die Artikel geschrieben sind. Man nennt das auch Anschlag auf die Pressefreiheit.
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Am 19. Mai 1998 hat der damalige Präsident Dr. Geiger die Anweisung erteilt, die o. g. Dienstvorschrift neu zu fassen. Zur Vermeidung von Missverständnissen hat er dabei folgende Weisung hinsichtlich der operativen Kontakte mit Medienvertretern erteilt:
»Grundsätzlich gibt es keine operative Nutzung von deutschen Medienvertretern, ausländischen Staatsbürgern, die für deutsche Medien tätig sind, und ausländischen Journalisten, die bei der Bundespressekonferenz akkreditiert sind. Darüber hinaus ist intern in Abteilungen 1, 2 und 5 sicherzustellen, dass vor jedweder Art von bloßen operativen Kontakten zu diesem Personenkreis die Leitung des Dienstes einzuschalten ist.«
Diese Weisungslage gilt bis heute. Allerdings hatte sich der ehemalige Abteilungsleiter 5 (Sicherheit), Herr Foertsch, nach eigenen Angaben vor Übernahme dieser Verwendung bei dem damaligen Präsidenten Porzner die Kompetenz ausbedungen, seine aufgrund der Verwendung als Abteilungsleiter 1 bestehenden Pressekontakte weiterhin und exklusiv als Sonderverbindungen nutzen zu dürfen. Präsident Porzner habe nach Auskunft des Leitungsstabs des Diens-tes diesem Wunsch entsprochen.
Hinsichtlich der zu untersuchenden Praxis des BND zu einer möglichen Führung von Journalisten als Quellen ist auf die sehr unterschiedliche »Qualität« der Kontakte zwischen Angehörigen der Medien und BND hinzuweisen. Einerseits wurden - überwiegend von der Pressestelle - Hintergrundgespräche »offen«, d. h. für jedermann nachvollziehbar, geführt. Daneben sind aus den Akten eine Reihe von Gesprächen ersichtlich, bei denen Medienangehörige auf den BND zukamen, um ihrer journalistischen Sorgfaltspflicht zu genügen und ihre eigenen Recherchen zu verifizieren. Ferner gab es Gespräche, in denen ein umfassender Informationsaustausch zwischen den Medienangehörigen und Angehörigen des BND stattfand. Letztlich fanden sich in den Akten auch Vorgänge, in denen Angehörige der Medien oder andere Personen auf Angehörige der Medien regelrecht »angesetzt« worden sind, um bewusst Informationen aus deren Arbeitsbereich für den Dienst zu erlangen ...

Journalist T
ist seit dem Jahre 1985 im Bereich der »Friedensforschung«, zuletzt als Leiter des Forschungsinstituts für Friedenspolitik in xxxxx tätig ...
Seit 1985 hat Journalist T über 10 Bücher über Aktivitäten von Geheimdiensten publiziert, u. a. Buchveröffentlichungen wie z. B »Der Schattenkrieger, Klaus Kinkel und der BND«, Düsseldorf 1995, oder »UNDERCOVER. Der BND und die deutschen Journalisten«, Köln 1998 ...
Auf Weisung des damaligen Präsidenten Konrad Porzner wurde noch im Monat der Veröffentlichung eine Bewertung der einzelnen Abteilungen des Dienstes zu den im Buch aufgeführten Behauptungen vorgenommen.
Insgesamt enthält das Buch nach einer Äußerung des Untersuchungsreferates 80B an 39 Stellen Offenlegungen von besonderer Brisanz. 68 nachrichtendienstliche Verbindungen (im folgenden Text: NDV) seien in dem Buch zutreffend bezeichnet worden, von denen wenige bereits enttarnt bzw. einige in Haft gewesen, die restlichen jedoch erst durch das Buch aufgedeckt worden seien ...
Die Veröffentlichung traf Leitung und Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes tief. Man sah die Sicherheit und Arbeitsfähigkeit des Dienstes und seiner Mitarbeiter gefährdet. Dies gilt insbesondere für die Offenlegung nachrichtendienstlicher Verbindungen und der Legenden der Mitarbeiter sowie die Bloßstellung von Partnerdiensten. Da diese Informationen von Mitarbeitern des Bundesnachrichtendienstes stammen mussten, versuchte das Untersuchungsreferat, die Quellen Journalist Ts ausfindig zu machen.
Im Rahmen dieser Operation wurden· verschiedene Maßnahmen durchgeführt ... Observation von sechs Mitarbeitern des BND ...
Ferner entschloss man sich, Journalist T bzw. dessen Institut für Friedensforschung zu observieren, da es zur zahlenmäßigen Eingrenzung des Kreises der in Frage kommenden Verdachtspersonen nur relativ vage geeignete Hinweise gab und deshalb eine Chance gesehen wurde, durch Beobachtung Journalist Ts dessen Informanten aus dem Bundesnachrichtendienst zu ermitteln ...
Ungefähr im Oktober 1993 erhielt der damals stellvertretende Leiter der Observationsgruppe QC30 BND-Mitarbeiter H den mündlichen Auftrag seines Gruppenführers, das Friedensforschungsinstitut in xxxxx, dessen Leiter Journalist T war, zu observieren ... Das Sachgebiet besteht aus 30 Mitarbeitern, das sind vier Trupps à sieben Mitarbeiter plus dem jeweiligen Truppführer. Aktuell sind dort 24 Mitarbeiter tätig. Angegliedert ist diese AußensteIle an die Abteilung 5 (bis 30. September 1998) »Sicherheit, Geheimschutz und Spionageabwehr«.
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Kein Ende der Aufklärung
Wolfgang Neskovic, Linksfraktion, Mitglied des Parlamentarischen Kontrollgremiums:
Nach der Veröffentlichung des Schäfer-Berichts wird der Klärungsbedarf bei der Frage der politischen Verantwortlichkeit noch drängender. Dazu brauchen wir weitere Aufklärung, die der Schäfer-Bericht schon wegen der Art und Weise seines Zustandekommens gar nicht leisten konnte. Wir sind von einer wirksamen Kontrolle der Geheimdienste noch weit entfernt. Die beabsichtigten Konsequenzen, die die Bundesregierung jetzt zieht, sind überfällig. Sie machen zugleich das Maß des bisherigen Versagens in der Aufsicht über die Geheimdienste deutlich.
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Der Auftrag wurde dahingehend präzisiert, dass die Observation ohne Nachfahrt stattzufinden habe, Besucher foto- bzw. videografisch zu erfassen und diese nach Möglichkeit zu identifizieren seien. Die Observation wurde unter der Bezeichnung »Emporio« durchgeführt ...
Der Eingang des Friedensforschungsinstitutes wurde zunächst bei Tageslicht von einem gebührenpflichtigen Privatparkplatz des gegenüberliegenden Textilkaufhauses und während der Dunkelheit - da der Parkplatz des Textilkaufhauses geschlossen war - vom Parkplatz des ebenfalls gegenüberliegenden Supermarktes »Tengelmann« aus überwacht...
Nach Aussage von BND-Mitarbeiter H war schon nach einigen Wochen ersichtlich, dass diese Form reiner Augenbeobachtung nicht länger aufrechtzuerhalten war. So kam es auf Vorschlag von BND-Mitarbeiter H zum Einsatz eines Pkw, Marke VW Golf, mit einer in der Sonnenblende eingebauten Kamera. Die Signalübertragung wurde in ein Basisfahrzeug vorgenommen ...
Am 23. Januar 1996 wurde ein zunächst unbekannter Besucher des Instituts für Friedensforschung nach einem Besuch Journalist Ts bis zum Hotel verfolgt. Beim Einchecken an der Hotelrezeption vernahm der Observant den Namen der Person, bei dem es sich um den für das ARD-Magazin »Monitor« tätigen Journalist A handelte ...
Nach Aussagen mehrerer Mitarbeiter der Observationsgruppe des Untersuchungsreferats wurde einmalig im Jahre 1994 - das genaue Datum ist nicht bekannt - durch einen Observanten ein von Journalist T auf die Straße gestellter Karton mit Altpapier mitgenommen und sichergestellt ...
Erstellt wurde eine 98-seitige Auflistung von Telefonnummern, Namen, Institutionen oder Gesellschaften. Diese wurde dem Unterzeichner vorgelegt. Aus ihr können keine konkreten Hinweise auf Informationsabflüsse aus dem BND oder auf Informanten entnommen werden. Hierauf angesprochen erläuterte die Leiterin des Untersuchungsreferates 80B in der Anhörung vom 19. April, dass durch die Auswertung der Schriftstücke bereits frühzeitig erkennbar gewesen sei, dass Journalist T beachtliches Hintergrundwissen zu nachrichtendienstlichen Sachverhalten, insbesondere aus dem Fernmeldebereich gehabt habe. Weiterhin sei auffällig gewesen, dass ihm offensichtlich nicht nur der Zugang zu Privatarchiven ermöglicht wurde, sondern ihm solche auch zur ständigen Überlassung angeboten worden seien. Die vorgelegten Daten ergeben dies nicht.
Eine schriftliche Anordnung für das systematische Einsammeln des Altpapiers existiert nicht. Der Geheimschutzbeauftragte wie auch der Referatsleiter des Untersuchungsreferates (94B) sollen jedoch Kenntnis gehabt haben ...
Das Jahresbudget des Institutes beträgt nach Aussage des TN Mä derzeit xxx xxx DM. In den letzten Jahren habe sich die wirtschaftliche Situation des FFI zunehmend verschlechtert ... Man versuche, bei diversen Stiftungen finanzielle Unterstützung zu erhalten; sollte sich die allgemeine Situation jedoch nicht ändern, so rechnet TN damit, das Institut ggf. im nächsten Jahr schließen zu müssen ...
Journalist T erhielt vom BND am 1. April 2003 500 Euro, sowie am 12. November 2003 und am 6. Juli 2004 je 250 Euro, jeweils als »Spende« für das Institut, eingezahlt unter einem nicht identifizierbarem Namen ...
Die Institutssekretärin, Frau xxx, wurde ebenfalls bis in ihre Privatsphäre hinein beschattet. Der BND hatte im Obergeschoss des Nachbargebäudes zum Forschungsinstitut in der Lohgasse Räume angemietet, von denen aus Observationskameras auf das Institut gerichtet waren. Auf dem benachbarten Parkplatz bezog ein getarntes BND-Dienstfahrzeug Dauerstellung.
Durch die Observationskamera wurden Journalisten, die das Institut besuchten, erfasst. Über das Kennzeichens des Pkw und Fotos erfolgte eine Personenidentifizierung. Anschließend wurden die Journalisten ebenfalls von Observationsteams des BND überwacht ...

Journalist V
Der 1955 geborene Journalist V ist seit 1971 als Journalist und in den letzten Jahren auch als Buchautor tätig. In einer Verlagsankündigung für das im Mai 2006 erscheinende, von Journalist V zusammen mit Juretzko verfasste Buch über den BND »Im Visier« wird Journalist V wie folgt bezeichnet:
»... Redakteur und freier Autor, war in den vergangenen 25 Jahren unter anderem für »Stern«, »Spiegel«, »Quick« und »Focus« tätig. Er ist Mitbegründer und stellvertretender Leiter des Essener Instituts für Terrorismusforschung und Sicherheitspolitik und hat bereits zahlreiche Bücher mit den Themenschwerpunkten Naher und Mittlerer Osten, Südostasien, Geheimdienste und Terrorismus veröffentlicht.« ...
Journalist V ist zusammen mit dem früheren Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes Juretzko Autor des 2004 erschienen Buches »Bedingt dienstbereit«. Wegen des Vorwurfs, in diesem Buch eine Vielzahl geheimer Umstände veröffentlicht zu haben, wurde Juretzko von der Staatsanwaltschaft Berlin wegen Geheimnisverrats im Sinne des Paragrafen 353b StGB angeklagt. Die Hauptverhandlung hat am 26. April 2006 vor dem Landgericht Berlin begonnen ...
Journalist V wurde vom August 1982 bis zu seiner Abschaltung im September 1998 als »nachrichtendienstliche Verbindung« (NDV) der V-Nr. xxxxxx als sog. »Reisender Geschäftsaufklärer« (GEAR) zunächst unter dem Tarnnamen »Da« und später, als dieser Name im Dienst zu sehr bekannt war, unter dem Tarnnamen »TN Sch« geführt.
Nach insgesamt 177 persönlichen Treffs und mindestens ebenso vielen Telefonaten wies die damalige Führungsstelle im Mai 1993 an, Journalist V abzuschalten, weil dieser sich in einer die operative Sicherheit gefährdenden Weise exponiert habe. Hintergrund war, dass Journalist V bei einer Veranstaltung der Jüdischen Gemeinde in Berlin sowie bei einem Auftritt im Fernsehen des ORF seine BND-Mitarbeit offen gelegt hat. Dennoch wurden die Kontakte zu Journalist V nicht eingestellt, sondern z. B. zur Übergabe schriftlicher Unterlagen weiter beibehalten, bis im Mai 1994 die Reaktivierung formell durchgeführt wurde. Die nachfolgenden Verbindungsführer waren die BND-Mitarbeiter AA und BND-Mitarbeiter BB ...
Die Auslandstätigkeit Journalist Vs muss für den BND sehr erfolgreich gewesen sein. Zahl und Bewertung seiner Nachrichten sind ebenso bemerkenswert wie die Höhe seiner Vergütung.
Zahlreiche Einsatzreisen führten Journalist V vor allem in den Nahen Osten. Diese Reisen dienten der Kontaktierung geeignet erscheinender Gesprächspartner und der Beschaffung von Informationen aus dem Bereich des Internationalen Terrorismus. In dem mit Begleitschreiben des Bundeskanzleramtes vom 17. März 2006 vorgelegten Bericht des Bundesnachrichtendienstes vom 8. März 2006 heißt es: »Bei TN Da/TN Sch handelte es sich um jemanden, bei dem sich für den Verbindungsführer die Erstellung entsprechender detaillierter Fragenkataloge erübrigte, da er normalerweise wusste, was den BND interessiert: Konkrete Beschaffungsaufträge sind der Dokumentation daher nicht zu entnehmen.«
Das Gewicht der Meldungen Journalist Vs wird aus der nachfolgenden Aufstellung des BND deutlich, welche das Bundeskanzleramt auf Anforderung vorgelegt hat: Einige Beispiele für Meldungen, die von der Auswertung mit "A" (Aktuell) bewertet wurden:

Aus dem Jahr 1989:
- Zur Situation der im Libanon entführten ASME-Mitarbeiter,
- Intifada: Zustandsbeschreibung und künftige Entwicklung,
- Steuerstreik als taktische Waffe der Intifada,
- Statistisches Material zu den Arabern in Israel.
Aus dem Jahr 1991:
- Verminung Kuwaits erfolgte mit italienischen und sowjetischen Sprengkörpern,
- Bestandsaufnahme der irakischen Zerstörungen in Kuwait,
- Auftragsvolumen des Army Corps of Engineers in Kuwait,
- Stärke der alliierten Streitkräfte in Kuwait,
- die Wirtschaftslage in den von Israel besetzten Gebieten.

In dem vorgenannten Bericht des Bundesnachrichtendienstes heißt es weiter: »Schon das primäre Auftragsthema von TN Da/TN Sch (Beschaffung von Informationen zum Internationalen Terrorismus), der zudem aufgrund seines Vorlaufs als einschlägiger Journalist auf einen beachtlichen Bestand an hochrangigen, diesbezüglichen Gesprächspartnern zurückgreifen konnte, dürfte (auch aus heutiger Sicht) den Einsatz des monetären Führungselements der Treue- und Leistungsprämie gerechtfertigt haben. Dass TN Da/TN Sch immer als »Juwel« im Quellenbestand der jeweils zuständigen Führungsstelle galt, ist zahlreichen Hinweisen im Schriftverkehr zu entnehmen und auch durch den Umstand belegt, dass er nach vorübergehender Abschaltung (aus Sicherheitsgründen) reaktiviert wurde.«
Einer Anlage zu dem vorgenannten Bericht des Bundesnachrichtendienstes vom 17. März 2006 sind die Leistungen zu entnehmen, die an Journalist V durch den Bundesnachrichtendienst erbracht wurden. Es handelt sich um Entgelt für die erbrachten Meldungen, um Prämien und die übliche Auslagenerstattung. Der Aufstellung lässt sich ferner die Anzahl der Meldungen und die Bewertung der Meldungen durch den Bundesnachrichtendienst entnehmen. Insgesamt wurden danach an Journalist V für die Jahre 1982 bis 1998 insgesamt 652 738,91 DM bezahlt.
Nach einer Besprechung am 6. Dezember 1996, an der der Präsident des Bundesnachrichtendienstes, der Vizepräsident, Abteilungsleiter 1, Abteilungsleiter 5 UAL12, 90A, 90AA und 90AC teilgenommen haben, erging eine Verfügung (wohl des Präsidenten), dass Journalist V (TN Sch) ab sofort nur noch von Abteilung 5 unter »Abwehrgesichtspunkten« geführt werden dürfe. Vorausgegangen war folgendes: Journalist V hatte sich beim »Spiegel« um eine Einstellung beworben. Zu einem Vertragsabschluss ist es nach Angaben Journalist Vs bei einem Treffen mit 12EC am 4. Dezember 1996 nicht gekommen. Der Vizepräsident des Bundesnachrichtendienstes, Güllich, habe im Vorfeld gegenüber »Spiegel«-Mitarbeiter Leyendecker, den Güllich angeblich gut kenne, die nachrichtendienstliche Tätigkeit Journalist Vs offen gelegt. Leyendecker habe sich dieses Wissen zu Nutze gemacht und Journalist V innerhalb der »Spiegel«-Re- daktion der Zusammenarbeit mit dem Bundesnachrichtendienst bezichtigt. Damit sei eine Arbeit Journalist Vs in der Redaktion des »Spiegel« unmöglich geworden. Spiegel-Chefredakteur Aust habe daraufhin versucht, Journalist V bei Spiegel-TV unterzubringen. Auch dagegen habe sich innerhalb der Redaktion eine Oppositionsgruppe um Leyendecker gebildet ... Bei einem späteren Treffen mit Journalist V am 20. Februar 1997 teilte dieser AL5 mit, dass er vom »Spiegel« eine bestimmte Summe als Abfindung für den geplatzten Vertrag erhalten habe ...
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Wichtige Fragen offen
Max Stadler, FDP-Rechtsexperte und Mitglied im Parlamentarischen Kontrollgremium:
Die FDP dringt darauf, alle Maßnahmen zu ergreifen, um die Wiederholung solcher rechtswidrigen Überwachungen zu verhindern. Die von der Bundesregierung dazu heute vorgeschlagenen organisatorischen Verbesserungen werden von der FDP unterstützt. Darüber hinaus muss aber auch der Gesetzgeber Initiativen ergreifen. Durchsuchungen wie zuletzt beim Magazin »Cicero« gefährden ebenfalls den Informantenschutz und damit das Redaktionsgeheimnis. Wir fordern die Koalition auf, dem FDP-Gesetzentwurf zum Schutze der Pressefreiheit zuzustimmen.
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Die weitere Zusammenarbeit zwischen Foertsch und Journalist V wird dahin geplant, dass Journalist V keine negativen Meldungen über den Nachrichtendienst bringen solle und wenn er etwas über den Dienst zu bringen gedenkt, mit Foertsch darüber rede ...
Journalist V wurde in insgesamt vier Einzelfällen nach 1996 observiert. In jedem dieser Fälle wurde die Observation von dem Untersuchungsreferat 80B in Auftrag gegeben...

Journalist R
Journalist R (TN K) ist seit einem nicht genau feststellbaren Zeitpunkt für den FOCUS als freier Mitarbeiter tätig und veröffentlicht Artikel zur ND-Thematik unter einem Pseudonym.
Geboren am 08. März 1957, war Referatsleiter 12 in der Hauptabteilung III des MfS der ehemaligen DDR. Sein letzter Dienstgrad war Hauptmann ...
Vom Frühjahr 1990 bis April 1995 stand Journalist R mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) in einer nachrichtendienstlichen Verbindung. Er lieferte nach dortigen Angaben zunächst umfangreiche Informationen aus seinem früheren Verantwortungsbereich, unterhielt aber nach ersten Hinweisen aus dem Jahre 1993 gleichzeitig Kontakte zu US-Dienststellen.
Weiterhin unterhielt Journalist R über den ehemaligen Leiter der HA III/MfS, General Männchen, nachrichtendienstlich relevante Verbindungen zu früheren Angehörigen des MfS sowie zu ehemaligen und aktiven hauptamtlichen Mitarbeitern des russischen Nachrichtendienstes, über die er das BfV nicht wahrheitsgemäß unterrichtet. Ende 1998 bot Journalist R dem BND gegen Zahlung von 50 000 DM eine Liste von Reisebewegungen von ehemaligen MfS- bzw. HVA-Agenten an ...
Bereits beim ersten Gespräch zwischen Foertsch und TN K wird deutlich, dass Foertsch über TN K vor allem Einzelheiten aus der Sphäre des sowjetischen und russischen Geheimdienstes erfahren will. Gegenstand der Erörterungen sind aber auch deutsche Journalisten ...
Wichtige MfS-Quellen sind ein weiterer Gesprächsschwerpunkt ...
Das Gespräch wandte sich dann Inlandsthemen zu. Die Bearbeitung Barschels durch die Hauptabteilung 18 habe 1985 nach einem Treffen zwischen Barschel und Mittag geendet. Aus seiner Arbeit habe er, TN K keinerlei Hinweise auf eine MfS-Verwicklung vor den Tod Barschels ...
Des Weiteren teilt TN K mit, er wisse von einer Organisation im MfS, die 1971/1972 in Schwerin gegründet worden sei und den Auftrag haben sollte, spurlos zu töten ...
Dem Focus ist zugespielt worden, dass Harry Schütt BND-Mitarbeiter X als Quelle gehabt hätte. Journalist N recherchiert hinter dieser Sache hinterher, ist zur Zeit in Berlin. Ich habe K. gesagt, dass das natürlich Unsinn ist und dass unmittelbar nach der Wende, als MfS-Obere glaubten, eine Amnestie erzwingen zu können, eine Aktion PHÖNIX lief, in der uns auf verschiedenen Wegen angebliche MfS-Informationen über BND-Mitarbeiter X zugespielt wurden. Diese Informationen waren aber für sich belanglos. K. kennt keine Aktion oder Operation PHÖNIX ...
Journalist R nahm seit 1994 laufend Akteneinsicht beim Bundes-archiv Berlin. Er gab als Antragsgrund für die Einsicht »Journalist« mit dem Thema »Sicherheitsfragen beim ZK der SED, Europäische Geheimdienste sowie Recherchen zum Sohn von Max Reimann, ehemaliger KPD-Vorsitzender« an. Nachdem dies im BND bekannt geworden war, wies der damalige Leiter des Untersuchungsreferates, BND-Mitarbeiter JJ, am 28. Mai 1998 mündlich den damaligen Leiter des ihm unterstellten Observationskommandos QD30 an, die von Journalist R eingesehenen Unterlagen zu überprüfen ... Nach Angaben der Leiterin des Untersuchungsreferates 80B wie auch eines der damaligen Observanten, BND-Mitarbeiter E, sollte festgestellt werden, ob Journalist R im Bundesarchiv Unterlagen eingesehen hatte, die einen Bezug zum damaligen AL5, Herrn Foertsch hatten, gegen den zu jener Zeit in der Abteilung wegen Spionageverdachts ermittelt wurde. Wegen der Kontakte zwischen Foertsch und Journalist R sei im Bundesnachrichtendienst der Verdacht entstanden, Journalist R suche im Bundesarchiv Berlin für Foertsch nach Unterlagen, die diesen belasten und den Verdacht, Foertsch sei russischer Spion, bestätigen könnten.
Die beiden Mitarbeiter von QD30 fanden im Zeitraum 08. bis 11. Juni 1998 in den von Journalist R zuvor eingesehenen Unterlagen keine Hinweise auf Foertsch, fertigten aber Kopien anderer Akten, darunter eine SED-Hausmitteilung an Egon Krenz über zwei von Karsten Voigt übermittelte Dokumente, die der Nordatlantischen Versammlung zur Beratung vorlagen.
Diese Unterlagen, deren Verschwinden im BND zunächst nicht bemerkt wurde, gelangten auf bis heute nicht geklärte Weise über BND-Mitarbeiter JJ, der sie von einem Historiker erhalten haben will, an die Bundesanwaltschaft. FOCUS berichtete am 14. Februar 2005 über die mögliche Weitergabe der Dokumente durch Karsten Voigt an einen Abteilungsleiter des ZK der DDR. Zu einem Ermittlungsverfahren gegen Karsten Voigt kam es nicht.

Person L
Die am 16. Februar 1966 in Berlin geborene Person L studierte Politologie in Bremen und an der Freien Universität Berlin. Bereits in seiner Diplomarbeit im Jahre 1999 mit dem Titel »XXXXXXXXXXXX« befasste er sich mit dem Themenbereich der Nachrichtendienste. Veröffentlichungen der Person L zu nachrichtendienstlichen oder militärischen Themen liegen dem BND seit 1996 vor ...
Person L nahm erstmals im August 1990 Kontakt zum BND auf. Damals übersandte er sowjetische Sonderbriefmarken zum »Ring der Fünf«. Später folgten mehrfach Anfragen zu nachrichtendienstlich relevanten Personen u. a. zu Erich Mielke. Im Laufe der Jahre intensivierten sich die bis heute ausschließlich postalisch bzw. fernmündlich zur Pressestelle gehaltenen Kontakte dahingehend, dass Person L seine eigene Diplomarbeit, aber auch Arbeiten aus seiner Hochschultätigkeit an den BND mit der Bitte um Prüfung übersandte, ob sie dort verwendet werden könnten. Nach Äußerung der Pressestelle bekommt Person L das für die Öffentlichkeit bestimmte Informationsmaterial.
Person L war etwa ab dem Jahre 2000 aufgrund seiner Beschäftigung mit nachrichtendienstlichen Themen, seiner Kontakte zu aktiven und ehemaligen Angehörigen des BND (unter anderem BND-Mitarbeiter X, Foertsch) und des MfS (unter anderen Mielke - ermöglichte das Interview mit Spiegel-TV -, Eichner, Schramm, Schwanitz, Werner Grossmann), mit Autoren, die sich mit nachrichtendienstlichen Themen befassen (Journalist T, Journalist V, TN T), seiner Tätigkeit in der Gesellschaft für Wehr- und Sicherheitspolitik e. V. neben dem früheren NVA-Oberst Dr. Wolf, seiner Kontaktversuche zum BND, vom BfV nicht bestätigter Hinweise auf Kontakte zur Russischen Botschaft und seiner ungeklärten Vermögensverhältnisse in den Verdacht geraten, nicht nur Zugang zu Nachrichtenabflüssen aus dem BND zu haben, sondern auch vom russischen Nachrichtendienst genutzt zu werden ...
Vor diesem Hintergrund wurde TN T auf Person L angesetzt und wiederholt eine Observation Person L's durchgeführt. 

Die vorangegangenen Passagen sind Ausschnitte aus einem umfangreichen Bericht, der - akribisch gefertigt - neben Brisanz auch unheimlich viele Banalitäten aus dem deutschen Geheimdienstalltag erahnen lässt. Neben dem BND arbeiten aber auch verschiedenste Verfassungsschutzbehörden, der Militärische Abschirmdienst, das Amt für Nachrichtenwesen der Bundeswehr und andere Einrichtungen an der Sammlung und Bewertung mutmaßlich geheimdienstlich relevanter Fakten. Zunehmend erfüllt das Bundeskriminalamt derartige Aufgaben. Gemeinsam hat man eine Möglichkeit des gegenseitigen Informationsaustausches im Gemeinsamen Terror-Abwehr-Zentrum geschaffen. Es eröffnet die Möglichkeit, verschiedene grundgesetzliche Beschränkungen zu umgehen.
Das im Bereich der Geheimdienste einiges - systematisch - aus dem Ruder zu laufen scheint, belegen verschieden Veröffentlichungen der letzten Wochen. Ein so genannter BND-Untersuchungsausschuss, der sich um die Tätigkeit des Auslandsgeheimdienstes während des Irak-Krieges, mit CIA-Gefangenenflügen, mit Verhören in geheimen Foltergefängnissen und anderen mutmaßlichen Ungesetzlichkeiten befassen soll, hat gerade erst die Arbeit aufgenommen. Auch der hier vorgestellte Bericht über die Bespitzelung von Journalisten durch den BND wirft zahlreiche noch zu klärende Fragen auf. Zumal zahlreiche Seiten in dem Dokument - siehe unten...

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