Falsche Berechnung von Arbeitslosengeld

Sozialgericht: Arbeitsagentur handelte bei der Kürzung der Bezüge rechtswidrig

  • Peter Kirschey
  • Lesedauer: ca. 1.5 Min.
Wer Kinder bekommt und großzieht, der ist in dieser Gesellschaft nicht nur beruflich benachteiligt, den trifft dann auch noch die Hartz-Keule, wenn er seinen Job verliert. Das musste eine 40-jährige arbeitslose Betriebswirtin erleben, die zuvor als Vertriebsleiterin eines großen Getränkeherstellers gearbeitet hatte. Nachdem die Frau 2001 und 2002 Kinder zur Welt brachte und danach bis August 2005 eine berufliche Auszeit nahm, setzte sie die Firma drei Monate nach ihrem Wiedereinstieg auf die Straße. Als sie dann bei der Arbeitsagentur Arbeitslosengeld beantragte, bekam sie den nächsten Hieb. Die Agentur hatte eine Neuigkeit zu bieten, berechnete ihr Arbeitslosengeld nicht mehr nach dem letzten Einkommen, sondern nach einem Pauschalbetrag. Während ihr letztes durchschnittliches Brutto-Gehalt 3750 Euro betragen hatte, berechnete die Agentur das Arbeitslosengeld nur auf der Basis von 2415 Euro. Das Argument: Die damalige Bundesregierung hatte mit dem so genannten Hartz-III-Gesetz vom Dezember 2003 die Zahlungsregelungen von Arbeitslosengeld verschärft. Danach sei zu prüfen, wie lange ein Arbeitsloser in den letzten zwei Jahren vor seiner Arbeitslosigkeit gearbeitet hat. Wenn dabei weniger als fünf Monate Arbeitszeit zusammenkommen, gelte ein niedriger Berechnungssatz. Da die Frau nach ihrer Mütterzeit nur auf drei Monate bis zu ihrer Entlassung kam, zog die Agentur die Schraube an. Gegen diese Entscheidung zog die Betriebswirtin vor Gericht. Dieses Vorgehen ist nach Überzeugung der Klägerin rechtswidrig, denn die Mütterzeit sei eine Pause und dürfe nicht als Zeit ohne Arbeit berechnet werden. Die 77. Kammer des Sozialgerichtes gab ihr Recht. Die Entscheidung der Arbeitsagentur sei verfassungswidrig, betonten die Richter. Die Gesetze sollten vor allem dem Schutz von Familien und Müttern dienen und gesetzlich geregelte Elternzeiten nicht zum Nachteil für die Betroffenen ausgelegt werden. Dieses war das erste Urteil eines Gerichts zu diesem Problemfall im Zusammenhang mit den Hartz-Gesetzen. Ansonsten hat Hartz dem Berliner Sozialgericht eine Klageflut ohnegleichen gebracht. Jedes dritte Verfahren beschäftigt sich mit den Folgen der Reform. Wenn auch die Mehrheit der Klagen - etwa zur Höhe des Arbeitslosengeldes II, zu Ein-Euro-Jobs oder zur »Angemessenheit« von Wohnraum - zurückgewiesen wurde, so konnte doch ein Drittel de...

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