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Himmelhölle

  • Lesedauer: 2 Min.

Ich kam gut ausgerüstet von der Hochschule aus Dresden, 1961 immer noch tief verwundete Trümmerstadt, aber voller Musik. Knappertsbusch, Kempe, Karl Böhm, von Matacic, Suitner hatten mich hören gelehrt, daß Gorki anders klingt als Tschechow, Shakespeare anders als Brecht. Mein Bühnenbildlehrer hatte Geduld mit mir gehabt, wenn ich lange in den dramaturgischen Tücken eines Stückes wühlte, anstatt schnell frisch drauf los zu malen. Aber dann der Absturz: erstes Engagement in Potsdam, umgeben von Absolventen der Kilger-Klasse aus Weißensee, da war klar- wenn die anderen Barock malten, wars Barock - bei mir blieb s Gründerzeit: Oberfläche, nicht ver standene Form, unbegriffene Ästhetik. Wer hatte mir denn beigebracht, was Form ist? Das (nicht gut genug) Gelernte wegschmeißen, immer wieder zurück auf den Nullpunkt, immer wieder von vorn anfangen, die tägliche Krise, jedesmal Himmel und Hölle; Bühnenbildarbeit ist die schwere Suche nach Form, die Zusammenhänge bedient, befördert, provoziert. Dabei ändern sich Zeit und Wert: »Form«, in der Nachkriegszeit viel zu schnell als Koketterie abgestempelt, viel zu spät als vehemente, schwierige Gegenkraft zu »Inhalt« entdeckt, wird heute zum freien, frechen, bunten Vogel, den Theater als Handschrift verkauft. Doch auch das alte Kampfwort »Realismus« ist an sich keine Formel für Gutes. Ich setze den Begriff für alles, was sich - in frei abfliegender Phantasie, in sehr unterschiedlicher Abstraktion, mit unterschiedlich unsichtbaren Fäden - von der Menschenwelt herleitet. Er muß immer wieder neu for muliert werden: das Stück als Gesetz, aber immer weiter von der Abbildung weg, dadurch - im Glücksfall - immer tiefer an das Geheimnis des Dramas heran.

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