Detroit in Flammen

Lizz Wright und Gregory Porter bei den JazzNights

  • Antje Rößler
  • Lesedauer: 3 Min.

Um Jazz zu erleben, kann man sich in überfüllte, stickige Clubs begeben. Wer dort aber den ganzen Abend lang stehen muss und bei den schönsten Soli die Gesprächsfetzen der Nachbarn vernimmt, ist genervt. Um dem zu entgehen, kann man Jazz auch im Konzertsaal hören.

Der Veranstalter Karsten Jahnke bespielt mit der Reihe JazzNights bereits seit 15 Jahren deutschlandweit die Konzertsäle. Derzeit schickt er Lizz Wright und Gregory Porter durch zehn Städte. Nun machen die beiden Sänger, die sich stilistisch zwischen Blues, Soul sowie Rhythm & Blues tummeln, Station im Kammermusiksaal der Philharmonie. Anhänger warmer afroamerikanischer Grummelstimmen kommen dann voll auf ihre Kosten. Der Gesang von Lizz Wright, die sich selbst an der Gitarre begleitet, wirkt so geschmeidig und herb wie Bitterschokolade. Gregory Porters butterweicher Bariton hat einen wohlig kratzigen Unterton.

Porter, der außer Haus eine seltsame Schiebermütze zu tragen pflegt, wuchs in Los Angeles auf. Als Junge spielte er Football, sang Gospel in einer Baptisten-Kirche und schwärmte für Nat »King« Cole. Später landete er als Musical-Darsteller am Broadway. Seine Solokarriere begann 2010 mit dem Album »Water«. Mal säuselt er aalglatte Balladen à la Frank Sinatra, dann wieder zündet er ekstatische Grooves. Etwa in seinem Song »1960 What?«, der von den Rassenunruhen in der Autostadt Detroit im Jahre 1967 handelt. Wenn Porter hier mit unterdrückter Wut »Motorcity is burnin …« brummelt, baut sich eine derartige Spannung auf, als würde jeden Moment ein Molotowcocktail hochgehen. Der Sänger verlor bei rassistischen Ausschreitungen den eigenen Bruder.

Porters sanfteres Pendant ist die Songwriterin Lizz Wright, die im ländlichen Georgia aufwuchs. Ihr Vater war Prediger; das Mädchen erhielt Klavierunterricht und sang im Gospelchor. Stärker war jedoch zunächst die Liebe zur italienischen Oper, die Lizz Wright zum klassischen Gesangsstudium nach Atlanta führte. »Als Afroamerikanerin hat man es nicht leicht, in der klassischen Musik zu bestehen«, sagt die Künstlerin. »Meine Vorfahren waren Sklaven und später Farmer. Wir haben zu Hause keine Klassik gehört; die kannte ich nur aus dem Radio. Heute kommt meine klassische Ausbildung aber dem Jazzgesang zugute, was etwa meine Atemtechnik angeht.«

Lizz Wright ging neue Wege, um über sich selbst hinauszuwachsen. »An der Highschool belegte ich einen Schreibkurs; sonst hätte ich nie gemerkt, dass ich auch Songtexte dichten kann. Außerdem wurde ich Mitglied im Basketball-Team«, erinnert sich die Sängerin, die heute zurückgezogen im New Yorker Stadtteil Brooklyn lebt. Entspannt geht Lizz Wright ihre musikalischen Projekte an. »Wenn ich Musikerkollegen treffe, unterhalten wir uns und essen zusammen. Ganz automatisch springt dann auch der musikalische Funke über. Alles geschieht ohne Druck.«

21.11., 20 Uhr, Philharmonie/Kammermusiksaal. www.jazznights.de

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