Aufstandsbekämpfung bekämpfen

Mit 30 Reservistenkompanien will die Bundeswehr ihre Einsatzfähigkeit im Inneren verstärken - nun auch in Berlin

  • Malene Gürgen
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Bundeswehr hat am Freitag die letzte der bundesweit 30 »Regionalen Sicherungs- und Unterstützungskompanien« aufgestellt. Dagegen gibt es Proteste.

»Freunde, unser Megafon ist der zerstörerischen Macht des Kapitalismus zum Opfer gefallen.« Uwe Hiksch gibt sich alle Mühe, die Gruppe bei Laune zu halten, die da im Novemberregen am Kurt-Schumacher-Platz in Reinickendorf steht und friert. Der stellvertretende Vorsitzende der »NaturFreunde Berlin« und seine knapp zwanzig Mitstreiter sind hier, um gegen die Aufstellung der sogenannten RSU-Kräfte zu protestieren, der »Regionalen Sicherungs- und Unterstützungskräfte« der Bundeswehr. Dabei handelt es sich um »Einheiten für den Heimatschutz«, die »Hilfseinsätze und Sicherungsaufgaben« im Inland übernehmen können, erklärt die Bundeswehr. Die Einheiten bestehen aus Reservisten und werden seit Juni 2012 an insgesamt 30 Standorten in Deutschland aufgestellt.

Als das Megafon endlich wieder funktioniert, erklären die Demonstranten, warum sie das nicht so toll finden: »Mit diesen Einheiten sollen die Grenzen zwischen zivilen und militärischen Kräften verschwimmen«, heißt es im ersten Redebeitrag. Die Bundeswehr wolle sich so als verlässlicher Partner präsentieren und etwa durch den Einsatz bei Naturkatastrophen für breite Akzeptanz in der Bevölkerung sorgen.

Tatsächlich ist die Aufgabenbeschreibung der RSU-Kräfte erstaunlich weitreichend: Die »Absicherung militärischer Anlagen« ist ebenso dabei wie die »Gewährleistung der Sicherheit des deutschen Luft- und Seeraums« oder die »Amtshilfe bei innerem Notstand«. Besonders der letzte Punkt sorgt für Kritik, denn gemäß einer Generalklausel der Europäischen Union wäre diese Amtshilfe des Militärs auch bei Massenstreiks, sozialen Unruhen und Aktionen des zivilen Ungehorsams möglich.

»Das zeigt, dass es hier in Wirklichkeit gar nicht um Katastrophenschutz geht«, sagt Uwe Hiksch. Vielmehr werde hier eine neue Sicherheitsarchitektur geschaffen, bei der Kompetenzen der Bundeswehr nach und nach erweitert werden sollen, bis Einsätze im Inneren, etwa bei Demonstrationen, Normalität geworden sind. »Militärische Unterstützung der Polizei bei der sogenannten Aufstandsbekämpfung ist mit den RSU-Kräften problemlos möglich«, so Hiksch.

Vom Kurt-Schumacher-Platz geht die kleine Demonstration zur Julius-Leber-Kaserne. Während drinnen der »Aufstellungsappell« für die 100 Reservisten der Einheit zelebriert wird, veranstalten die Demonstranten draußen ihre Abschlusskundgebung. Die Stimmung ist trotz des Wetters ganz gut, für Lacher sorgt ein Auto der Feldjäger, das im Schritttempo an dem Grüppchen vorbeifährt, während die Beifahrerin mit ihrem I-Phone die Kundgebung abfilmt. »Schön, dass wir so viel Aufmerksamkeit bekommen«, kommentiert das Paula Weber von der Initiative »No War«, die zu dem Protest aufgerufen hatte.

Einen Dank schickt sie außerdem an die »Reservistenkameradschaft Spielmannzug«, die den eigentlich nicht veröffentlichten Termin der Aufstellung vor ein paar Tagen versehentlich auf ihre Internetseite gestellt und so zumindest noch eine kurzfristige Gegenmobilisierung möglich gemacht hatte.

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