Menschenjäger in Uniform

Nach Verfolgungsjagd wird gegen einen Leipziger Polizisten wegen versuchten Mordes ermittelt

  • Sven Eichstädt, Leipzig
  • Lesedauer: 3 Min.
In Leipzig soll ein Polizist versucht haben, einen mutmaßlichen Drogenhändler zu überfahren. Gegen ihn wird ermittelt. Aus der Untersuchungshaft ist der Beamte mittlerweile wieder entlassen worden.

Nach Drogenrazzien wird in der Regel gegen mutmaßliche Rauschgifthändler ermittelt. In Leipzig ist es momentan ganz anders: Hier läuft nach einem Einsatz im Drogenmilieu ein Verfahren gegen einen Polizisten wegen versuchten Mordes. Ende Oktober soll dieser bei einem Einsatz im Drogenmilieu im Leipziger Osten einen mutmaßlichen Rauschgifthändler entdeckt und mit seinem zivilen Dienstfahrzeug verfolgt haben.

Auf den vermeintlichen Drogenhändler, der mit einem Fahrrad unterwegs gewesen sein soll, soll der Polizist mit dem Einsatzfahrzeug so schnell und absichtlich zugesteuert sein, dass der Mann dabei sein Leben hätte verlieren können. Da der Mann offenbar nicht sehr schwer verletzt worden ist und vor den Polizisten noch flüchten konnte, wird gegen den Polizeibeamten nicht wegen Mordes, sondern wegen versuchten Mordes ermittelt.

Unmittelbar nach der Festnahme durch Spezialkräfte der Polizei auf seiner Dienststelle Anfang November kam er in Untersuchungshaft, da das Amtsgericht Leipzig damals einen Haftbefehl erließ, den die Staatsanwaltschaft Leipzig beantragt hatte. Allerdings sah das Landgericht Leipzig zwei Wochen später bei einem Haftprüfungstermin, den der Polizist beantragt hatte, für den vorgeworfenen Mordversuch einen dringenden Tatverdacht nicht als gegeben an und hob den Haftbefehl wieder auf.

Die Staatsanwaltschaft, die weiterhin wegen versuchten Mordes ermittelt, hat gegen diese Entscheidung des Landgerichts Beschwerde eingelegt, wie Oberstaatsanwalt Ricardo Schulz sagt. Wenn diese Beschwerde beim Landgericht nicht erfolgreich sein sollte, wird das Oberlandesgericht Dresden darüber entscheiden müssen. Die Polizeidirektion in Leipzig musste die Ermittlungen inzwischen an das Landeskriminalamt in Sachsen abgeben, damit bei den internen Untersuchungen eine andere Behörde als die ermittelt, in deren Zuständigkeit der Vorfall passiert sein soll.

Leipzig gilt nicht nur in Sachsen, sondern in ganz Ostdeutschland als die Kommune, in der das meiste Rauschgift gehandelt wird und sich auch überdurchschnittlich viele Süchtige aufhalten. Nachdem die Polizei in den vergangenen Jahren recht erfolgreich gegen Hintermänner des Rauschgifthandels vorgegangen war und große Mengen Heroin aus dem Markt genommen hatte, wandelte sich der Drogenmarkt in Leipzig und Händler sowie Süchtige stiegen von Heroin auf Crystal um.

Hinzu kommt, dass der Polizeipräsident Horst Wawrzynski, der von 2008 bis 2013 im Amt war, eine repressive Polizeiarbeit als erfolgversprechend ansah und versucht hatte, gegen die Drogenkriminalität eine sehr harte Linie durchzusetzen und mit monatlichen Razzien die offene Drogenszene in Bewegung zu halten. Bevor im Sommer 2012 seine Bewerbung als parteiloser Kandidat für die CDU um das Amt des Oberbürgermeisters der Stadt, der Anfang dieses Jahres neu gewählt wurde, bekannt wurde, hatte er die Stadtverwaltung wiederholt und massiv wegen ihrer vermeintlich zu liberalen Drogenpolitik kritisiert. Trotz dieser Äußerungen, die von manchen Beobachtern als vorgezogener Wahlkampf gedeutet worden waren, verlor er die Wahl deutlich gegen den Amtsinhaber Burkhard Jung von der SPD.

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