»Wir haben eine starke Zivilgesellschaft«

Innenminister Ralf Holzschuher über die Polizeireform in Brandenburg und den Umgang mit Flüchtlingen

  • Lesedauer: 3 Min.
Ralf Holzschuher (SPD) ist seit vergangenem August Innenminister in Brandenburg. Zuvor war der Jurist Fraktionschef der SPD im Landtag. Trotz der andauernden Diskussionen über die Polizeireform hält Holzschuher an ihr fest. Mehr als zwei Jahre nach Inkrafttreten sieht er jedoch Anlass für Veränderungen.

nd: Wo drückt der Schuh am meisten?
Holzschuher: Die Polizei leistet eine gute und erfolgreiche Arbeit. Auch die Reform war grundsätzlich richtig und notwendig. Aber es gibt ständig neue Entwicklungen in bestimmten Kriminalbereichen, auf die die Polizei reagieren muss. Dazu gehört die gestiegene Anzahl von Wohnungseinbrüchen. Auch Autodiebstähle und Grenzkriminalität machen uns weiterhin zu schaffen. Wir müssen also prüfen, ob das Personal überall an der richtigen Stelle eingesetzt ist. Es gibt Anhaltspunkte dafür, dass es im operativen Bereich - also insbesondere beim Streifendienst - Probleme gibt. Wir müssen eine bessere Verteilung der Beamten erreichen und da, wo es hakt, gegensteuern.

Muss sich ein Teil der rund 8300 Beamten im Polizeidienst auf Versetzungen einstellen?
Die Reform sollte Führung und Verwaltung deutlich verschlanken und die operative Basis der Polizei weitgehend stabil erhalten. Der Streifendienst muss gestärkt werden. Das Polizeipräsidium hat dazu einen klaren Auftrag von mir bekommen. Welche Maßnahmen konkret ergriffen werden, dazu äußere ich mich, wenn die Entscheidungen feststehen.

Anderes Thema: In den vergangenen Monaten gab es große Probleme bei der Unterbringung von Flüchtlingen. Wie angespannt ist die Situation nun?
Aktuell haben wir deutlich weniger Probleme, alle angemessen unterzubringen. Den Landkreisen ist es zwischenzeitlich gelungen, ausreichend Unterkünfte zu schaffen. Sie waren ebenso wie das Land Anfangs überfordert, weil sich die Lage kurzfristig zuspitzte. Nachdem die Zahl der Asylbewerber bis 2008 über Jahre hinweg gesunken war, wurden verständlicherweise Plätze abgebaut. Jetzt ist die Tendenz anders. Der Bund geht davon aus, dass die Zahl der Flüchtlinge nächstes Jahr weiter deutlich steigt. Bereits in diesem Jahr hatten wir fast eine Verdoppelung. Darum sind wir gut beraten, vorausschauend zu reagieren. Trotz des aktuellen Anstiegs sind wir aber immer noch weit von der Lage der 1990er Jahre entfernt. Insofern sind die Probleme aus meiner Sicht lösbar.

Ist das deutsche Asylrecht angesichts der dramatischen Bilder aus dem Mittelmeerraum noch zeitgemäß?
Italien hat sicher extreme Belastungen. Ansonsten betreibt das Land aber keine Asylpolitik, bei der Flüchtlinge mit offenen Armen empfangen werden. Deutschland nimmt in Europa am meisten Flüchtlinge auf und muss sich in keiner Weise verstecken. Ich denke, es ist richtig, die Regelungen des Dublin-II-Abkommens weiterzuentwickeln, ohne sie grundsätzlich infrage zu stellen. Flüchtlinge sollten dort aufgenommen werden, wo sie einreisen. Dann müssen die finanziellen Lasten europaintern gerecht verteilt werden.

Rechtsextremisten und die NPD nutzen die angespannte Situation, um gegen Asylbewerber zu hetzen.
Es ist leider so, dass rechtsextremistische Gruppen diese Themen besetzen und versuchen, damit in bürgerliche Kreise einzudringen. Das ist in Brandenburg aber bislang gescheitert. Ich hoffe, dass sich die Menschen, die im Einzelfall nachvollziehbare Sorgen haben, auch zukünftig nicht instrumentalisieren lassen. Vorhandenen Bedenken muss man mit Information und Transparenz begegnen. Aus meiner Sicht haben wir eine starke Zivilgesellschaft in Brandenburg. So funktioniert das Zusammenleben in Eisenhüttenstadt, wo die Zentrale Erstaufnahmestelle ist, sehr gut - obwohl die Stadt große soziale Probleme hat. Zu Weihnachten haben Einwohner sogar für Flüchtlingskinder Geschenke gesammelt.

Interview: dpa/Marion van der Kraats

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