Mehr Lebensqualität für weniger Menschen

Kommunen mit historischem Stadtkern haben schönere Marktplätze, aber nicht so viele Wohnungen wie in der DDR

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 2 Min.
Auch die beträchtliche Zahl instandgesetzter Marktplätze täuscht darüber nicht hinweg: Vor vielen märkischen Kommunen liegt nur eine Zukunft als beschauliches Ackerbürgerstädtchen.

Als am Freitag die AG »Städte mit historischen Stadtkernen« zur Jahrespressekonferenz einlud, wartete sie erneut mit einer Vielzahl gelungener Instandsetzungen und Denkmalsrekonstruktionen auf. Inzwischen sei der Wechsel zur Bewahrung historischer Bausubstanz im Gange, sagte der AG-Vorsitzende Michael Knape, Bürgermeister von Treuenbrietzen. Es komme nicht allein darauf an, die Stadt schick zu machen, sondern auch darauf, sie schick zu erhalten. Infrastrukturminister Jörg Vogelsänger (SPD) erinnerte daran, dass es 1991 losgegangen sei »mit der Städtebauförderung«. Seither steckten Bund und Land 683 Millionen Euro in die Wiedergewinnung originaler Bausubstanz märkischer Kleinstädte. Den Eigenanteil der Kommunen mitgerechnet seien sogar 845 Millionen Euro verbaut worden.

Im vergangenen Jahr standen die Anstrengungen unter der mahnend provozierenden Überschrift: »Jugend-frei?!«. Damit wurde darauf angespielt, dass immer mehr Jugendliche wegziehen. Dies ist das große und ungelöste Problem. Sicher sind in relativer Nähe zu Berlin, beispielsweise in Werder/Havel, die Grundstücke knapp geworden. Für die allermeisten der 31 Städte der Arbeitsgemeinschaft gilt aber etwas völlig anderes. Rund 60 000 Wohnungen sind in den vergangenen zwei Jahrzehnten abgerissen worden. Die DDR hatte Industrie beinahe in den letzten Winkel gebracht. Doch Betriebe gingen nach der Wende reihenweise pleite. Die möglichen Bewohner der Neubaublöcke sind der Arbeitslosigkeit wegen weggezogen. Abriss wird angesichts des Einwohnerschwundes auch in den kommenden Jahren unumgänglich sein.

Weil sie viel zu wenig Gewerbe beherbergen, sind die Städte mit Abriss und Rekonstruktion allein überfordert. Sie benötigen dafür Finanzspritzen. Daran ändern auch positive Gegenbeispiele nichts.

Neuruppins Bürgermeister Jens-Peter Golde erzählte, die Rückverlegung der Stadtbibliothek in ein ausgebautes historisches Gebäude im Stadtzentrum habe die Benutzerzahl von 750 auf 1300 anschwellen lassen. Rund um den Neuen Markt, wo vor 20 Jahren »niemand einen Euro investiert hätte« (da gab es ja auch noch die D-Mark), sei heute kein einziges Grundstück mehr frei. Golde informierte, dass die drei Kilometer lange Stadtbauer in Neuruppin »Kommunikation« genannt wird, womit sie die erste Mauer der Welt wäre, die nicht etwa trennt, sondern verbindet. Golde mahnte, es dürften bei der Sanierung keine »Puppenstuben« entstehen. Gebraucht werden stattdessen möglichst lebendige Räume.

Das Themenjahr 2014 der Arbeitsgemeinschaft »Städte mit historischen Stadtkernen« steht unter dem Motto: »Tür an Tür und Haus an Haus. Nachbarschaften in der historischen Stadt.«

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