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Friedenstaube statt Adler

Geschichte im Landtag: Sorben und Wenden bekommen eigenes Gesetz

  • Sarah Liebigt und Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 3 Min.
Einen Blutfleck wollte Architekt Peter Kulka nicht im Plenarsaal des Landtags sehen. Der weiße Adler indes wird vermutlich Anlass weiterer Debatten bleiben.

Die Sorben und Wenden in Brandenburg bekommen ein neues Gesetz zum Schutz ihrer Rechte als Minderheit. Die Neuregelungen wurden am Mittwoch vom Landtag beschlossen. Damit erhalten anerkannte sorbisch-wendische Dachverbände erstmals ein Verbandsklagerecht, um Rechte der Lausitzer Minderheit vor Gericht durchzusetzen. Der 2012 von neun Abgeordneten vorgelegte fraktionsübergreifende Gesetzentwurf wurde nach langen, kontroversen Debatten auf Antrag der Koalitionsfraktionen von SPD und Linkspartei in zahlreichen Punkten geändert. So ist unter anderem eine Passage entfallen, nach der das Land und die Kommunen im sorbischen Siedlungsgebiet bei der Einstellung in den öffentlichen Dienst niedersorbische Sprachkenntnisse berücksichtigen sollen.

Künftig werden nun im sogenannten angestammten Siedlungsgebiet der einheimischen slawischen Minderheit zweisprachige Ortsschilder vorgeschrieben. Dem Siedlungsgebiet werden wie bisher knapp 30 Orte zugerechnet, darunter Cottbus, Lübbenau und Spremberg. Ein zwischenzeitlich vorgelegtes Verzeichnis mit mehr als 40 Orten fand keine ausreichende Zustimmung.

Zudem bekommt die Landesregierung einen Beauftragten für sorbisch-wendische Angelegenheiten und muss einmal pro Wahlperiode einen Bericht zur Lage der Minderheit vorlegen. Mit dem neuen Gesetz werden auch die Kommunen verpflichtet, nicht nur Bräuche und Kultur der Sorben und Wenden, sondern auch ein »von Tradition, Toleranz und gegenseitiger Achtung geprägtes Zusammenleben ihrer Einwohnerinnen und Einwohner« zu fördern.

Um ein anderes Kapitel brandenburgischer Geschichte ging es am Dienstag auf dem Festakt zur offiziellen Eröffnung des Landtags am neuen Standort. Das einstige Hohenzollernschloss, das dem Landtagssitz zumindest äußerlich Modell stand, war beim letzten Großangriff der englischen Luftwaffe auf eine deutsche Stadt im Zweiten Weltkrieg am 14. April 1945 zerstört worden und ausgebrannt. Die Trümmer wurden 15 Jahre nach Kriegsende abgetragen.

Weniger an die Zerstörung und mehr an das Abtragen der Ruine erinnerte bei dieser Gelegenheit Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) in Ton und hielt es für angebracht, ausgerechnet die sowjetische Führung als Kronzeuge anzuführen. Während das SED-Politbüro mit dem Abriss der Schlossruinen in Berlin und Potsdam einen »bewusste Bruch mit der Geschichte« herbeiführte, so Lammert, hätte die Moskauer Führung weiter im Kreml residiert, also in dem Palastkomplex, »in dem die Zaren thronten«. Dass der Moskauer Kreml im Unterschied zu den Stadtschlössern Berlins und Potsdams niemals zerstört gewesen und schon gar nicht als Ruine dagestanden hätte, fiel bei Lammerts Argumentation unter den Tisch. Und wie hätte man seine Einlassungen verstehen sollen? Als nachträgliche Aufforderung an die SED-Führung, die beiden Preußenschlösser wieder historisch zu rekonstruieren, um darin zu residieren? Eine Pointe barg die Rede des ortsfremden CDU-Politikers aber doch: Denn der brandenburgische Landtag hat ja tatsächlich im »Kreml« getagt und zwar 20 Jahre lang. Und das tat er ebenfalls im bewussten »Bruch mit der Geschichte«. Denn die Entscheidung der Abgeordneten 1991 für die einstige Bezirksleitung der SED als Hohes Haus der Demokratie war kaum mit einer Fortsetzung jener Politik verbunden, welche die Vorgänger in diesem Haus getrieben haben.

Die CDU-Landtagsfraktion hatte in den vergangenen Wochen heftig gegen den »Adler in Weiß« protestiert, der im Plenarsaal über dem Polittheater schwebt. Architekt Peter Kulka musste sich mächtig zur Wehr setzen, denn er wollte keinen »Blutfleck« an der Wand, also keinen roten Adler. Beim Festakt sagte er vor den Abgeordneten, er hätte »lieber die weiße Friedenstaube von Picasso dahin gehängt«. Von jener Friedenstaube hatte der einstige CDU-Landtagsabgeordnete Wieland Niekischmal gesagt, sie gehöre »in die Mottenkiste des DDR-Pioniernachmittags«.

Als LINKEN-Politiker Helmuth Markov das Wort ergriff - letztmalig in seiner Eigenschaft als Finanzminister - sprach er von den Schwierigkeiten seiner Partei mit dem Projekt des Wiederaufbaus eines Preußenschlosses. Er räumte ein, dass »die Mitglieder meiner Partei eher skeptisch waren«. Nun aber nehme er auch versöhnliche Töne wahr. Der Kostenrahmen für das Schloss sei fast eingehalten. »Das ist nicht wie beim Flughafen.« mit epd

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