Krawalle in Brasilien und Tote in Katar

Alarm bei der FIFA / DFB und die Politik fordern besonders im »Fall Katar« endlich Taten vom Weltverband

  • Dietmar Kramer, SID
  • Lesedauer: 3 Min.
Neue Berichte über Todesfälle auf WM-Baustellen in Katar und gewalttätige Proteste gegen das WM-Turnier in rund fünf Monaten in Brasilien haben am Wochenende die Probleme der FIFA mit ihren milliardenschweren Prestigeprojekten verschärft. Der DFB und die Politik fordern besonders im »Fall Katar« endlich Taten vom Weltverband.

Köln. Neue Probleme mit den WM-Turnieren 2022 in Katar und schon in rund fünf Monaten in Brasilien haben beim Fußball-Weltverband FIFA am Wochenende Alarm ausgelöst. Besonders Schreckensmeldungen über noch mehr tote Gastarbeiter auf Katars WM-Baustellen als bisher bekannt setzten die FIFA-Spitze unter verstärkten Handlungsdruck. Zugleich schürten Gewalt und Zerstörung bei Protesten gegen die bevorstehende WM-Endrunde in Brasilien die Ängste in der FIFA-Zentrale vor sozialen Unruhen am Zuckerhut während des Turniers (12. Juni bis 13. Juli).

Ein Bericht der englischen Zeitung »The Guardian« über mindestens 36 weitere tote Gastarbeiter in Katar rief umgehend auch den Deutschen Fußball-Bund (DFB) und die Politik auf den Plan. »Es ist furchtbar, die erschütternden Meldungen zu lesen«, sagte DFB-Präsident Wolfgang Niersbach der Sonntags-FAZ und forderte die FIFA unmissverständlich zu Maßnahmen auf: »Es reicht nicht aus, diese Missstände immer wieder zu beklagen, es muss schnellstens etwas Konkretes passieren.«

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Niersbach liegt auf einer Linie mit der EU-Menschenrechtsausschuss-Vorsitzenden Barbara Lochbihler: Die FIFA solle »konkrete Forderungen stellen und klare Deadlines definieren, bei deren Überschreitung definierte Konsequenzen greifen«, sagte die Grünen-Politikerin dem SID.

Entgegen aller Appelle jedoch verzichtet die FIFA trotz der jüngsten Enthüllungen, wonach laut offiziellen Angaben im Vorjahr insgesamt 185 und inklusive 2012 sogar 382 nepalesische Arbeiter bei Bauprojekten im Emirat ums Leben gekommen sein sollen, auf eine Verschärfung der Tonart: »In Katar müssen zügig und dauerhaft durchweg faire Arbeitsbedingungen eingeführt werden. Die verantwortlichen Stellen haben sich verpflichtet, das Arbeitssystem und die entsprechende Gesetzgebung zu ändern, um humanitäre Arbeitsbedingungen für alle zu schaffen«, ließ FIFA-Boss Joseph S. Blatter in einem offiziellen Statement lediglich wachsweich mitteilen.

Geradezu einer Verhöhnung der Opfer glich die Reaktion von Katars WM-Machern. Man bleibe »vom Wohlbefinden, der Gesundheit, Sicherheit und Menschenwürde jeden Arbeiters überzeugt«, teilten die Organisatoren mit: »Im März haben wir unsere Arbeiter-Charta vorgestellt, in der die Prinzipien festgeschrieben, mit denen wir sicherstellen, dass unsere Arbeiter geschützt sind.«

Soziale Missstände bereiten der FIFA auch für Brasilien Kopfzerbrechen. 128 Randalierer nahm die Polizei am Samstag bei den ersten Massendemonstrationen des Jahres gegen das WM-Spektakel unter dem Motto »Não vai ter Copa (Es wird keine WM geben)« allein in Sao Paulo fest, nachdem die landesweiten Proteste in 36 Städten eskaliert waren und Verwüstungen und zum Teil schwere Sachschäden nach sich gezogen hatten. TV-Bilder von einem brennenden VW-Käfer lösten Erinnerungen an die Unruhen beim Confed Cup 2013 am Zuckerhut aus und lassen für die WM ähnliche Krawalle befürchten.

Dabei blieb die Zahl der Demonstranten hinter den Erwartungen der internationalen Protestbewegung Anonymus zurück. Abgesehen von den 2500 Menschen in der Wirtschaftsmetropole Sao Paulo schlossen sich in Rio de Janeiro rund 200 Demonstranten und in den übrigen Städten lediglich jeweils rund 100 Teilnehmer den Protestzügen gegen die hohen Kosten der WM für das Land an.

Experten indes sagen für Demonstrationen während des WM-Zeitraums einen massiven Anstieg der Teilnehmerzahlen voraus. Für die Proteste bei der WM versprechen sich die Organisatoren durch die zusätzliche Thematisierung konkreter Mängel erheblichen Zuspruch.

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