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Was hätte Franz Mehring gesagt?

  • Werner Ruch
  • Lesedauer: 2 Min.

Schwer krank, überstieg der Schock über die Ermordung Karl Liebknechts und Rosa Luxemburgs, mit denen er die KPD gegründet hatte, seine Kräfte. Vor 95 Jahren, am 28. Januar 1919, verstarb Franz Mehring in einer Klinik im Berliner Grunewald.

Als Abiturient, Student und junger Journalist hat er drei von Preußen inszenierte Kriege erlebt: den deutsch-dänischen 1864, den deutsch-österreichischen 1866 und den deutsch-französischen Krieg 1870/71. Schließlich auch den Ersten Weltkrieg. In seiner Analyse von dessen Ursachen enthüllte er das Gestrüpp imperialistischer Widersprüche, anders als im viel gelobten Buch des Australiers Christopher Clark »Die Schlafwandler«, das jetzt zum 100. Jahrestag des Völkermordens erschien und ökonomische Triebkräfte ignoriert. 24 jährig gehörte Mehring, damals noch ein bürgerlicher Demokrat, nebst den Sozialisten August Bebel und Wilhelm Liebknecht und den radikalen Demokraten Guido Weiß und Johann Jacobi zu den Unterzeichnern eines Protestes gegen die deutsche Annektion von Elsass-Lothringen. Später, 1892, schrieb das nunmehrige SPD-Mitglied in seiner »Lessing-Legende«, dass alle Kriegsgeschichte erst verständlich werde, »wenn man sie auf ihre ökonomischen Grundlagen zurückführt. Sie verflüchtigt sich dagegen in einen historischen Roman, wenn man das größere oder geringere Genie der Feldherren zu ihrem bewegenden Hebel machen will.« In diesem Sinne ist Clarks Buch eher ein »historischer Roman«.

Am Vorabend des Großen Krieges von 1914 bis 1918 hatte Staatssekretär Bülow verkündet: »Wir verlangen auch unseren Platz an der Sonne.« Vor einigen Jahren verteidigte Bundespräsidenten Köhler offen den Kriegseinsatz in Afghanistan mit der Sicherung von Rohstoffquellen und Handelswegen. Auch Bundespräsident Gauck fordert ein stärkeres militärisches Engagement Deutschlands. Angesichts dessen sei an die Aufsätze von Mehring »Weltkrach und Weltmarkt« im »Vorwärts« zu Beginn des 20. Jahrhunderts erinnert, in denen er die Veränderungen in der deutschen Weltpolitik nach der Reichseinigung aufzeigte, insbesondere nach der Entlassung Bismarcks durch den Kaiser, der die Aufkündigung der Rückversicherungsabkommen mit Russland und ein großes Aufrüstungsprogramm folgte. Mehring wies nach, dass alle Konfliktbeteiligungen Deutschlands, von China bis Marokko, dem Kampf um Rohstoffe und Einfluss dienten. Werner Ruch

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