Schwarzers Schwarzkonto

  • Jürgen Amendt
  • Lesedauer: 2 Min.

Wer bei Google derzeit die Suchbegriffe »Schwarzer« und »Schweiz« eingibt, erhält mehr als drei Millionen Treffer. Die Herausgeberin der feministischen Zeitschrift »Emma« hatte über Jahrzehnte hinweg Geld auf einem Konto in der Schweiz vor dem deutschen Fiskus versteckt. Die Publizistin ging allerdings straffrei aus, weil sie sich selbst angezeigt und sämtliche Steuern inklusive Strafgebühren nachgezahlt hatte. Ohne den »Spiegel«, der vor Wochenfrist über den Steuerfall Schwarzer berichtete, hätte die Öffentlichkeit davon überhaupt nichts erfahren. Der »Spiegel« und alle anderen Medien hätten gar nicht über den Fall berichten dürfen, meint der Rechtsanwalt und Medienrechtler Ralf Höcker in seinem Blog vocer.org. Die Berichterstattung sei durch nichts gerechtfertigt, meint der Anwalt, der den Schweizer Moderator Jörg Kachelmann in presserechtlichen Verfahren gegen die Berichterstattung von Alice Schwarzer über den Vergewaltigungsprozess gegen Kachelmann vertreten hat. »Frau Schwarzer kann wegen ihrer Tat strafrechtlich nicht mehr belangt werden, wenn ihre Selbstanzeige rechtzeitig und vollständig erfolgte. Das nimmt der Geschichte schon einiges an aktueller Relevanz und spricht klar gegen ein berechtigtes Informationsinteresse.«

Höckers Kollege Mirko Laudon sieht das anders. »Alice Schwarzer war es, die eine Trennung von ›Privatem‹ und ›Politischem‹ ablehnt. Wer anderen diese moralischen Maßstäbe aufzwängt, muss sich selbst an ihnen messen lassen. Daraus folgt das öffentliche Interesse. Die mutmaßliche Verletzung des Steuergeheimnisses eines Finanzbeamten kann nicht höher bewerten werden, als das Interesse der Öffentlichkeit an der millionenfachen Steuerhinterziehung der moralischen und feministischen Instanz - Trägerin des Bundesverdienstkreuzes. Und es ist auch nicht gemeinschädlich, diese Steuerhinterziehung öffentlich zu machen, sondern gerade durch die Wahrnehmung der berechtigten Interessen gedeckt.«

Alice Schwarzer selbst hat sich mittlerweile auf ihrer Webseite aliceschwarzer.de u.a. damit verteidigt, dass sie das Konto in einer Zeit angelegt habe, »in der die Hatz gegen mich solche Ausmaße annahm, dass ich ernsthaft dachte: Vielleicht muss ich ins Ausland gehen«. Für Höcker ist das die falsche Verteidigungsstrategie, denn durch diese Stellungnahme habe sie das bewirkt, »was Presserechtler eine ›Selbstöffnung‹ nennen. Sie hat ihre Steuerstraftat öffentlich thematisiert und sich in höchst angreifbarer Weise verteidigt. Wenn sie das Horten eines mutmaßlichen Millionenbetrages in der Schweiz augenscheinlich damit begründen will, dass ihre deutschen Konten im Falle einer politisch bedingten Flucht ins Ausland nicht mehr sicher gewesen wären, dann muss sie sich mittlerweile sogar Journalistenfragen nach dem eigenen Geisteszustand und nach den wahren Motiven der Steuerhinterziehung gefallen lassen.«

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