Warum Ramckes Öko-Hof Hamburg fehlen würde

In der Hansestadt droht der Verlust City-naher, landwirtschaftlich genutzter Grünflachen

  • Birgit Gärtner, Hamburg
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Ramcke-Hof ist der letzte noch landwirtschaftlich bewirtschaftete Hof in Hamburgs Innenstadt, seit 60 Jahren versorgt er den Tierpark Hagenbeck. Jetzt will die Stadt wichtige Pachtflächen zurück haben.

Der Tierpark Hagenbeck in Hamburg muss sich eventuell bald nach einer neuen Bezugsquelle für Rüben für seine Elefanten umsehen. Die Felder, auf denen die Rüben jetzt wachsen, gehören der Stadt Hamburg, seit 1954 wurden sie von der Familie Ramcke gepachtet und ökologisch bewirtschaftet. Nun hat die Stadt den Pachtvertrag zum 31. Dezember 2014 gekündigt, weil auf den fraglichen Flächen im Rahmen des komplexen Projektes zur Überbauung (»Überdeckelung«) der Autobahn 7 künftig Wohnungen entstehen sollen.

Die Elefanten müssten künftig nicht unbedingt hungern, aber der Verlust der Anbauflächen würde ein weiteres sinnvolles Projekt ökologischer Landwirtschaft gefährden: Seit dem letzten Jahr bietet die Familie Ramcke die Möglichkeit, nahe der Innenstadt saisonal Flächen für biologisches Gärtnern anzumieten. Für beides würde die verbleibende Ackerfläche nicht reichen.

Der Hamburger Stadtteil Stellingen im Bezirk Eimsbüttel bietet mit Wohnsilos und dem Stellwerk der Deutschen Bahn einen nicht eben ästhetischen Anblick. Da sticht der Ramcke-Hof ins Auge. 1878 erbaut, war das Gehöft einst der kleinste von insgesamt 20 Bauernhöfen im Dorf. Heute ist es der letzte noch landwirtschaftlich bewirtschaftete Hof in der gesamten Innenstadt. Vergleichbare Höfe gibt es sonst nur in den Marsch- und Vierlanden.

Christoph Ramcke, Sportwissenschaftler, hatte den Hof vor ein paar Jahren übernommen. Er setzte die Familientradition fort, den Tierpark Hagenbeck mit Zuckerrüben zu beliefern. Zugleich nutzt Ramcke das Anwesen für Seminare zu Themen aus dem Bereich Gesundheit und Bewegung, aber auch für ein Hofcafé. Dort gibt es von Dienstag bis Sonntag nachmittags Kaffee und selbst gebackenen Kuchen, das Café kann für Feiern gebucht werden. Tradition ist ihm sehr wichtig, deswegen setzt Ramcke trotz seiner Ausbildung und seiner Tätigkeit als Seminarleiter die Landwirtschaft nicht nur fort, sondern will sie ausbauen: Acht Kilometer Luftlinie vom Hamburger Hauptbahnhof entfernt richtete er im letzten Frühjahr erstmalig kleinere Parzellen ein, auf denen die Pächter in der Saison nach Herzenslust gärtnern können. Chemische Substanzen allerdings sind verboten, und Bebauung, etwa in Form von Gewächshäusern, ebenfalls.

Das Projekt »Saisongarten« ist eine Mischung aus Kleingarten und urban gardening, allen zugänglich, mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar. Das Konzept wird von der Hamburger Bevölkerung gut angenommen, so dass in diesem Jahr rund 75 Parzellen verpachtet werden. Ramcke würde das Projekt gerne ausbauen. Doch wenn er die von der Stadt gepachteten Felder verliert, dann muss er sich entscheiden: Zuckerrüben oder Saisongarten.

Ramcke besticht durch erfrischende Ehrlichkeit: »Weder steht unsere Existenz auf dem Spiel, noch müssten die Elefanten von Hagenbeck im Ernstfall wirklich Hunger leiden. Es würde sich sicherlich eine andere Bezugsquelle finden. Aber bis vor Kurzem wurden unsere Geschäfte mit dem Tierpark von meinem Vater noch per Handschlag besiegelt. Und es wäre einfach schade, wenn wir nach 60 Jahren guter Zusammenarbeit nicht mehr liefern könnten. Mir liegt eben beides sehr am Herzen.«

Keine Frage: Hamburg braucht Wohnungen, bezahlbare zumal. Aber auch Grünflächen. Und das innovative wie ökologisch sinnvolle Projekt »Saisongarten« könnte ein positives Beispiel auch für andere Städte sein. Deshalb wäre es wünschenswert, wenn sich für die geplanten Wohnungen ein Plätzchen fände, das die städtische Landwirtschaft nicht gefährdet. Laut Ramcke signalisierten alle Parteien im Bezirk bereits Interesse an einem für beide Seiten tragbaren Kompromiss. Wer sich für Parzellen bei Ramckes interessiert, kann telefonisch unter 040/43261980 nachfragen.

App »nd.Digital«

In der neuen App »nd.Digital« lesen Sie alle Ausgaben des »nd« ganz bequem online und offline. Die App ist frei von Werbung und ohne Tracking. Sie ist verfügbar für iOS (zum Download im Apple-Store), Android (zum Download im Google Play Store) und als Web-Version im Browser (zur Web-Version). Weitere Hinweise und FAQs auf dasnd.de/digital.

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal