Der Platz

»The Square«/Forum

  • Caroline M. Buck
  • Lesedauer: 2 Min.

Die flachgepressten Gesichter der toten Demonstranten, die von gepanzerten Fahrzeugen niedergemäht wurden, sind die Bilder des Films, die man wohl nie vergessen wird. Aber auch die glühende Begeisterung, mit der einer wie Ahmed Hassan, der sich von klein auf in den Straßen Kairos durchschlagen musste und eigentlich keine Chance haben konnte, solche Überzeugungen auszubilden, von den künftigen Veränderungen schwärmt: von einer ägyptischen Gesellschaft, in der Sekulare und Muslimbrüder versöhnt miteinander leben. Oder die Zeichen der Folter auf dem Körper von Ramy Essam, der mit seinen Liedern die Menschenmenge auf dem Tahrir-Platz in revolutionärer Stimmung hielt, und deshalb vom Militär als einer der Rädelsführer der Rebellion ausgemacht wurde. Ein Rädelsführer des Bürgeraufstands - ein Widerspruch in sich, denn ihn anzuwenden, heißt zu verkennen, wie stark zumindest der erste Protest, der gegen Hosni Mubarak, noch in der gesamten Gesellschaft verankert war.

Dass mit dem Sturz des einen Pharao die freie Gesellschaft noch lange nicht gesichert war, wird an den anderen Protagonisten in Jehane Noujaims US-Dokumentarfilm deutlich. »Al midan« (The Square) folgt auch dem bärtigen Muslimbruder Magdy im »Nieder mit Israel«-T-Shirt, der trotzdem Gefallen an Hassans Idee findet, dass eine friedliche Gemeinschaft möglich sein müsse, auch über die politischen Lager hinweg. Sein Aufstand gegen Mubarak hat persönliche Gründe: Als religiöser Rechter musste er Folter und Gefängnis fürchten. Als die Muslimbrüder den Volksaufstand kapern und mit dem Militär die ersten freien Wahlen abkarten - so zumindest sieht es die Filmemacherin - , als Mursi ans Ruder kommt und alles irgendwie von vorne anfängt, da strömen die Menschen dann wieder auf den Platz, und Ahmed hat erneut viel Überzeugungsarbeit zu leisten. Nur Magdy weiß nun nicht mehr recht, wohin er gehört. Caroline M. Buck

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