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  • Volksfront - Linksbündnisse

Im eigenen Land nicht geehrt

Harald Wittstock über Erinnerung und Gedenken an die Spanienkämpfer

  • Lesedauer: 4 Min.
ND: Der 70. Jahrestag des Fanco-Putsches steht bevor, der den Spanienkrieg, eines der bedeutendsten Ereignisse des 20. Jahrhunderts, auslöste. Inwieweit ist dieser heute noch im öffentlichen Bewusstsein?
Wittstock: Die Verteidigung der legalen Spanischen Republik und die einmalige weltweite solidarische Hilfsaktion, einschließlich der Bildung der Internationalen Brigaden, sind im öffentlichen Bewusstsein in Deutschland nicht präsent. Deswegen ist es umso wichtiger, daran immer wieder zu erinnern, damit sie nicht vollständig in Vergessenheit geraten. Dabei helfen die vielen kleinen und großen Veranstaltungen verschiedener Art, die insbesondere durch junge Antifaschisten an sehr vielen Orten zum 70. Jahrestag bereits organisiert wurden und noch werden.

Geteilt war die Erinnerung an den Spanienkrieg im geteilten Deutschland. Hat sie im vereinten nunmehr zusammengefunden?
Wenn von geteilter Erinnerung gesprochen wird, dann doch wohl, weil in der alten Bundesrepublik die Angehörigen der »Legion Condor« und in der DDR die Spanienkämpfer auf Seiten der Spanischen Republik im Mittelpunkt der Erinnerung standen. In der heutigen Bundesrepublik will man von offizieller Seite am liebsten gar nicht über die Zeit des Spanienkrieges sprechen. Man denke nur an die mühselige und langwierige Auseinandersetzung um die Löschung des Namens Werner Mölders von der »Legion Condor«, Hitlers »erfolgreichster Flieger« im Spanienkrieg, für eine Bundeswehr-Flugstaffel. Erinnerungsarbeit für die Freiwilligen der Freiheit, wie die ausländischen Verteidiger der Volksfront-Republik in Spanien genannt werden, gibt es hier zu Lande nur durch unseren Verein, andere antifaschistische Gruppen und linke Parteien.

Neue Erinnerungsstätten sind zu den in der DDR errichteten nicht dazugekommen?
Im Gegenteil, es gab Versuche, die vorhandenen zu schleifen, wie das für Hans Kahle im Brandenburgischen Karstädt, oder sie verfallen, obwohl sie auf der offiziellen Denkmalsliste stehen, wie das für die Ärzte der Internationalen Brigaden in Ückermünde. Eine rühmliche Ausnahme war die Benennung einer Straße nach den Interbrigadisten Walter Janka in Chemnitz.

Es waren nicht wenige, seinerzeit prominente Deutsche, die sich an die Seite der Spanischen Republik gestellt haben.
Ich weiß nicht, ob die Leute alle damals schon so prominent waren. Aber es waren Künstler und auch Politiker, die später teilweise sehr prominent waren, z. B. die Künstler Erich Weinert, Willi Bredel und Ernst Busch. Zu den Politikern, die sich auf die Seite der Spanischen Republik gegen Franco und seine Verbündeten stellten, gehörten unter anderen die Reichstagsabgeordneten Artur Becker, Hans Beimler, Walter Chemnitz, Franz Dahlem, Gustav Flohr, Erich Glückauf, Paul Hornick, Fritz Kahmann, Otto Kühne, Wilhelm Pinnecke, Max Roscher, Hermann Schnelle und Hermann Schuldt. Aber auch die späteren Abgeordneten des Bundestages Jakob Altmaier, Peter Blachstein, Willy Brandt, Gustav Gundelach, Hermann Nuding und Walter Vesper.

Im Nachkriegsspanien lebten, ähnlich wie in Deutschland, Täter und Opfer nebeneinander, ging der Riss durch die Familien und die Gesellschaft, waren Tabus aufgetürmt. Wie steht es darum in Spanien 30 Jahre nach Franco?
Erst einmal muss man feststellen, dass im Nachkriegsspanien während der Franco-Diktatur noch einmal soviel Menschen umgekommen sind, wie während des Krieges 1936 bis 1939. Und noch bis in die 50er Jahre gab es einen Guerilla-Kampf gegen Franco. Nach seinem Tod 1975 wurde noch nicht gleich mit der Aufarbeitung der Geschichte begonnen. Es wurde eine Politik des Deckelns, die »Transition«, wie die Spanier sie nennen, praktiziert. Erst in den 90er Jahren begannen einzelne Initiativen sich mit den Verbrechen der Diktatur zu beschäftigen. Vor allem wurden die sterblichen Überreste der Menschen ausgegraben, die während des Krieges und der Diktatur an der Stelle, wo sie ermordet woren waren, einfach verscharrt worden sind. Diese Initiativen weiteten sich aus. Und man begann sich nun auch mit den ursächlichen Ereignissen auseinander zu setzen. Die Beschäftigung mit dem Krieg und der internationalen Hilfe ist im heutigen Spanien selbstverständlich. Gedenkstätten für die Republik und deren Kämpfer werden gepflegt, neue kommen hinzu. Und die Interbrigadisten werden geehrt, wie die Verleihung der Ehrenstaatsbürgerschaft an die noch lebenden 1996 zeigte.

Wie wird Ihr Verein »Kämpfer und Freunde der Spanischen Republik 1936 - 1939« des Kampfes in diesem Jahr erinnern?
Unser Verein hat damit schon Anfang des Jahres begonnen. So haben wir uns einer Initiative unserer englischen Freunde angeschlossen, uns zu Ostern auf die Spuren der Interbrigadisten und Maquisarden in die Pyrenäen begeben und an der Festung Figueras, einem der Sammelpunkte der ausländischen Freiwilligen, eine Gedenktafel enthüllt. Und wir werden im Rahmen unseres diesjährigen Sommertreffens eine Festveranstaltung aus Anlass des 70. Jahrestages der Bildung der Internationalen Brigaden durchführen. Der Höhepunkt wird aber ohne Zweifel die Reise im Oktober nach Spanien sein, nach Madrid und Barcelona. Dort werden wir mit unseren Freunden aus vielen Ländern auch besprechen, wie wir uns weiterhin für Frieden und Solidarität, gegen Krieg, Rassismus, Neofaschismus engagieren können.

Fragen: Karlen Vesper
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