Mehdorn: möglicherweise erst 2016

Erneut droht eine Verschiebung der BER-Eröffnung, Opposition kritisiert Management

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 5 Min.
Nach neuen Spekulationen über den Baufortschritt am Großflughafen BER gerät der vor nicht mal einem Jahr als Retter geholte Manager Hartmut Mehdorn schwer unter Druck.

Die Eröffnung des Großflughafens BER in Schönefeld steht weiter in den Sternen. Für den kommenden Donnerstag ist deshalb eine Krisensitzung von Flughafenchef Hartmut Mehdorn, Aufsichtsratschef Klaus Wowereit (SPD) sowie Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) geplant. Ursprünglich war der Hintergrund des Treffens die Absage des Testbetriebes des Nordpiers am BER, die Hartmut Mehdorn in der vergangenen Woche einräumen musste.

Doch inzwischen geht es nicht mehr nur um ein paar Flüge am Tag zu Übungszwecken, sondern das gesamte Projekt steht mal wieder infrage. Aus einem Brief des Geschäftsführers der Flughafengesellschaft Berlin Brandenburg (FBB) an die brandenburgische Landesregierung vom Montagabend geht hervor, dass der Airport möglicherweise erst 2016 in Betrieb genommen werden könnte. Dies könne »beim Eintreten weiterer unvorhergesehner Ereignisse, wie in den letzten Monaten« passieren, erklärte Mehdorn in dem Schreiben. Mit »Ereignissen« meint der oberste Flughafenmanager Dinge wie den Schallschutz (siehe Kasten), dessen Fehlen dazu führt, dass die für Juli dieses Jahres geplante Sanierung der nördlichen Start- und Landebahn auf März 2015 verschoben werden muss. Mehdorn kritisiert in seinem Brief die zuständige Luftfahrtbehörde dafür, dass sie die Schallschutzvorgaben für die geplante Sanierung der Nordbahn kurzfristig verschärft und Verzögerungen ausgelöst habe.

Schallschutz
  • Rund 25 500 Haus- und Wohnungseigentümer im Umkreis des künftigen BER haben Anspruch auf Schallschutz. 14 000 davon befinden sich so nah an den Enden der beiden Start- und Landebahnen, dass ihnen der Planfeststellungsbeschluss den vollen Schutz zubilligt
  • Ursprünglich standen 139 Millionen Euro für den Schallschutz bereit. Jetzt wird mit fünfmal so hohen Kosten gerechnet - bis zu 700 Millionen Euro. Der Grund: Die Flughafengesellschaft hat die Vorgaben der Planfeststellung falsch eingeschätzt. dpa/nd

 

Bei Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) stießen die Vorwürfe Mehdorns auf Unverständnis: Die vorgenommene Neuterminierung der Sanierung der Startbahn sei »richtig und auch kostengünstiger«, hieß es in einer Erklärung. Und: Es stehe nicht im Belieben der Geschäftsführung der Flughafengesellschaft, die Rechtslage frei zu interpretieren. Auch vor »medialen Alleingängen« warnte Ministerpräsident Woidke, der keine Gefahr einer Verzögerung der Inbetriebnahme wegen des Schallschutzes erkennen kann. Auch der Berliner Senat verwies am Dienstag darauf, dass Mehdorn den Flughafen »zügig« an den Start bringen solle und nichts anderes.

Bei den Oppositionsparteien in den Bundesländern Berlin und Brandenburg sowie dem Bund sorgten die neuen Turbulenzen um das Milliardenprojekt für scharfe Kritik. »Zwei große Pleiten innerhalb einer Woche sind selbst für das Pannenprojekt BER ungewöhnlich«, erklärte der LINKE-Obmann im Bundestagsverkehrsausschuss, Herbert Behrens. Die Oppositionsfraktionen im brandenburgischen Landtag beantragten »aufgrund des dringenden Klärungsbedarfs« eine Extrasitzung des Sonderausschusses zum Flughafen für den kommenden Donnerstag. »Wir erleben erneut eine Rolle-Rückwärts beim Flughafen BER«, begründete der Verkehrsexperte der CDU-Fraktion, Rainer Genilke, den Antrag. Der Flughafen werde noch erheblich teurer, und eine Eröffnung vor 2016 sei höchst unwahrscheinlich, prognostizierte Genilke.

Auch die oppositionelle Grünenfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus bezeichnete die Lage beim BER am Dienstag nach den neuerlichen »Hiobsbotschaften« als »ernst«. Flughafenchef Mehdorn habe bislang »Nebelkerzen« geworfen, anstatt sich auf die Fertigstellung des BER zu konzentrieren, bemängelte die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Abgeordnetenhaus, Ramona Pop. Die Oppositionsführerin kritisierte allerdings nicht nur den amtierenden Flughafenchef, sondern auch dessen Kontrolleure. »Jetzt rächt sich, dass der Aufsichtsrat nicht mit Experten aus Wirtschaft und Baubranche besetzt wurde«, erklärte Pop. Die Grünen forderten, wie auch bei Diskussionen bei früheren Verschiebungen der Eröffnung des BER, die Einsetzung eines »Expertengremiums«, das die Vorgänge am BER unter die Lupe nimmt und realistische Handlungsempfehlungen erarbeiten soll.

Für die Linksfraktion im Abgeordnetenhaus ist das nicht wirklich eine Option. »Was nützt es, wenn noch mehr Experten auf der Baustelle rumturnen, aber das operative Geschäft des Managements nicht funktioniert?«, fragt der Verkehrsexperte der LINKEN, Harald Wolf. Er erwartet, dass Mehdorn am 2. April im Verkehrsausschuss des Abgeordnetenhauses endlich eine verlässliche »Mängelliste« vorlege.

Der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses zum BER im Berliner Abgeordnetenhaus, Martin Delius (Piraten), hält beide Vorschläge von Grünen und LINKEN für nicht durchdacht. Aus seiner Erfahrung mit dem Projekt braucht die Flughafengesellschaft jetzt ein eigenes Projektcontrolling und ein schlagkräftiges Team mit technischer Expertise, das in der Vergangenheit durch Entlassungen abgebaut wurde, erklärte Delius gegenüber »nd«.

Wie groß die Probleme auf der Großbaustelle in Schönefeld tatsächlich sind, kann derzeit nur gemutmaßt werden. Medienberichten zufolge gibt es weiter Schwierigkeiten mit der komplexen Brandschutzvorrichtung. Zudem sollen wichtige Kabelbrücken überbelegt sein und deshalb eine Überhitzung der Versorgungsstränge drohen. Dass es außerdem Probleme mit der Bezahlung der eingesetzten Handwerksbetriebe gebe, wies Berlins Regierender Bürgermeister und Aufsichtsratsvorsitzender Klaus Wowereit (SPD) in einer am Dienstag bekanntgewordenen Beantwortung einer Kleinen Anfrage der Grünenfraktion zurück. »Geprüfte und fällige Rechnungen werden stets zeitnah beglichen«, erklärte Wowereit. Zum Stichtag 28. Januar 2014 habe es »geprüfte und genehmigte Rechnungen« in einer Höhe von circa 13,4 Millionen Euro gegeben. Öffentlich waren dagegen über dreistellige Millionenforderungen der Unternehmen spekuliert worden, die diese von der Flughafengesellschaft einfordern.

Flughafenexperten wie Dieter Faulenbach da Costa überrascht die neue drohende Verschiebung der Eröffnung des Großflughafens BER indes nicht. »Die Schwierigkeiten mit der Entrauchungsanlage dienen nur zur Vernebelung der wirklichen Probleme«, sagte Faulenbach da Costa gegenüber »nd«. Wie er bereits vor einiger Zeit in einem Gutachten für die CDU-Fraktion im brandenburgischen Landtag herausgearbeitet habe, liege das Hauptproblem des BER vielmehr in der mangelnden Kapazität des Terminals, das lediglich 18 Millionen Passagiere im Jahr abfertigen könne. »Am Ende«, so der Offenbacher Flughafenexperte, habe man eine funktionierende Entrauchungsanlage, aber kein funktionierendes Terminal.

Überdies sei im Jahr 2016 die für die ursprünglich geplante Eröffnung 2011 fertiggestellte Software und IT dann mindestens fünf Jahre überholt. So dürfte der noch gar nicht eröffnete Flughafen inzwischen in vielen Teilen bereits wieder zum Sanierungsfall geworden sein.

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