Modernisierung? Nein, danke!

Hausbewohner im beliebten Stephanskiez in Moabit wehren sich gegen Mietpreissteigerungen

  • Rainer Balcerowiak
  • Lesedauer: 3 Min.
In einem Haus im begehrten Stephankiez in Moabit wehren sich Mieter gegen drohende Verdrängung durch Luxusmodernisierung.

Ein mulmiges Gefühl hatten die Bewohner des Hauses Stephanstraße 46/Havelberger Straße 12 von vornherein, als die Immobilie im Herbst 2013 den Besitzer wechselte. Denn die neuen Eigentümer ließen keinen Zweifel daran, dass sie umfangreiche Modernisierungen planen und alle Mieterhöhungsspielräume bis zum Anschlag ausreizen wollen. In dem unsanierten Haus gibt es bislang keine zentrale Heiz- und Warmwasserbereitungsanlage, dafür liegen die Nettokaltmieten deutlich unter den Durchschnittswerten in dem mittlerweile heiß begehrten Kiez.

Schnell kündigte die neue Hausverwaltung an, dass neben umfassender energetischer Gebäudesanierung auch eine Fernwärmeheizung und ein Fahrstuhl eingebaut werden sollen. Zusammen mit anderen Modernisierungsaufwendungen müsse daher mit einer Erhöhung der Kaltmiete um vier bis fünf Euro pro Quadratmeter gerechnet werden - auch die Betriebskosten würden steigen. Die Arbeiten sollen in diesem Frühjahr beginnen, in dem leer stehenden Seitenflügel des Gebäudes wurde bereits mit der Sanierung gestartet. Bald soll eingerüstet werden, um mit dem Ausbau der Dachgeschosse zu beginnen.

Viele Mieter können sich derartige Erhöhungen nicht leisten und daher taten sie das einzig Richtige: Sie trafen sich, um über eine gemeinsame Reaktion zu beraten und nahmen dabei vereinzelt auch anwaltliche Beratung in Anspruch. Die meisten Mieter seien zunächst etwas verängstigt, aber auch empört über das rüde Vorgehen der Verwaltung gewesen, so ein Bewohner gegenüber »nd«. Auf einem Mietertreffen habe einer der Eigentümer eingeräumt, dass das Vorpreschen der Hausverwaltung nicht geschickt gewesen wäre.

Zwar ist die Atmosphäre zwischen Besitzern und Mietern seitdem etwas entspannter, die eigentlichen Probleme sind aber noch lange nicht gelöst. Bislang sind weder Art und Umfang der Modernisierung noch der zeitliche Ablauf der Baumaßnahmen konkret angekündigt worden. Dennoch wird in dem Haus bereits kräftig gewerkelt, was zu erheblichen Beeinträchtigungen durch Lärm und Dreck führt. Wegen der Arbeiten in den Dachgeschossen haben die Mieter im obersten Stockwerk zudem große Probleme, ihre Wohnungen ausreichend zu beheizen. Daher wollen einige Mieter jetzt prüfen, ob sie eine Handhabe für Mietminderungen haben.

Investoren haben meist großes Interesse daran, dass möglichst viele Mieter angesichts der Belastungen und der zu befürchtenden Mietsteigerungen »freiwillig« ausziehen, denn leer stehende modernisierte Wohnungen ermöglichen eine deutlich höhere Rendite. Im Stephankiez, der in unmittelbarer Nähe zur im Bau befindlichen neuen Zentrale des Bundesnachrichtendienstes liegt, werden mittlerweile für Eigentumswohnungen Quadratmeterpreise verlangt, die auf dem Niveau der Szenequartiere im Prenzlauer Berg liegen.

Derzeit wartet man den Eingang der offiziellen Modernisierungsankündigung ab, um sich dann auf einer weiteren Mieterversammlung gemeinsam professionell beraten zu lassen. Erfahrungsgemäß weisen derartige Ankündigungen oft erhebliche formale Mängel auf, was Widerspruchsmöglichkeiten eröffnet. In Fällen wie diesem wäre das die saubere Trennung der Kosten für den Dachgeschossausbau und der Modernisierung. Einer drohenden Verdrängung wollen die Mieter nicht widerstandslos ausgeliefert sein.

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