»Wir werden den Weg erst beim Gehen finden«

Kleiner Vorgriff auf eine Flugschrift über die Chancen und Grenzen linksreformerischer Politik in Zeiten, die nach Veränderung immer noch schreien

  • Lesedauer: 3 Min.

Wo steht die Welt? Wie lässt sie sich verändern? Wer im Frühjahr 2014 mit der nötigen Lust auf Veränderung und dem notwendigen Pessimismus des Verstandes aus dem Fenster schaut, wird je nachdem, wohin der Blick dort fällt, seine ganz eigene Voraussetzung finden. Für einen politischen Journalisten dürfte es nicht überraschend sein, wenn dort draußen vor dem Fenster vor allem Sozialdemokraten und Grüne, die Linkspartei und ihre Strömungen, soziale Bewegungen und Gewerkschaften, die radikale Linke und die kritische Wissenschaft, Wahlen und Parlamente eine große Rolle spielen. Wer in den vergangenen Jahren nicht endgültiger Enttäuschung erlegen ist, wer weiter daran festhalten möchte, dass auch auf diesem Feld erst einmal Wurzeln schlagen muss, woraus später die Blüten wirklicher Veränderung wachsen könnten, hat in diesem Frühjahr 2014 wenig Anlass zu übertriebener Euphorie. Aber es gibt auch keinen guten Grund, jeden Optimismus aufzugeben.

aus dem Vorwort zu: linke mehrheit? über rot-rot-grün, politische bündnisse und hegemonie. eine flugschrift. Erscheint im Verlag vsa: Hamburg und kann hier bestellt werden.

»Ein auf Solidarität und soziale Gerechtigkeit setzender neuer Linksreformismus«, so haben es in im Herbst 2011 Christoph Jünke und Daniel Kreutz formuliert, kann eine reale Option sein, »wenn er im wirklichen Leben Gestalt annimmt, in gemeinsamer solidarischer Aktion und als soziale Bewegung«. Dass hier als erste ein Experte für die Geschichte des Linkssozialismus und ein früherer Grünenpolitiker mit als bitter verstandener Regierungserfahrung zitiert werden, ist ein Zufall – aber einer, der gar nicht weit weg ist von dem, was als »Programm« sich eignen könnte: aus historischer Erfahrung klug geworden, am kritischen Denken festhaltend, sich nicht im Sündenstolz badend, die Möglichkeiten politischer Veränderung realistisch einschätzend und dennoch nicht im Selbstgefängnis der Verewigung vergangener Konfflikte sitzen bleibend – so könnte es gehen.

Was wiederum nicht heißt, dass es einfach wird. Noch einmal Jünke und Kreutz: »Die vorherrschende Apathie und Einpassung in den Status quo bedeutet nicht, dass es kein sichtbares Potenzial für Veränderungen gäbe. Große (...) Teile der deutschen Bevölkerung lehnen die herrschende Politik zumindest in wichtigen Einzelfragen ab. Und dies, ohne dass große Bewegungen in den Betrieben und auf der Straße die Kritik in die Köpfe ›hineindemonstriert‹ hätten. Doch passive Umfragemehrheiten sind noch keine politische Gegenmacht. Die eigentliche Herausforderung bleibt deswegen, wie die Grenzen der gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse in die Richtung einer anderen Logik, in die Richtung einer Verwirklichung alternativer Ziele (...) verschoben werden können.«

Von dieser Herausforderung soll diese kleine Büchlein handeln. Es nimmt nicht in Anspruch, eine Lösung zu wissen. Es ist geschrieben aus der Perspektive eines Linken, der sich in manchem ganz gut auskennt und in vielem nicht mehr zur Verfügung hat als seine alltägliche Erfahrung. Es wird dem Urteil wissenschaftlicher Betrachtung nicht standhalten können, die mit ihrer Kategorien- und Begriffsstrenge anderen Regeln folgt als der Journalismus. Es ist vielleicht auch von der naiven Hoffnung angetrieben, dass unter den herrschenden Bedingungen etwas in Bewegung gerät, was das Vorfindbare auf eine Weise verändert, die den nächsten Schritt ermöglicht. Wir werden den Weg erst beim Gehen finden.

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