Exotisches Aussehen als Verdachtsmoment

  • Roberto de Lapuente
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Berichterstatter straften letzte Woche die malaysischen Sicherheitsbeamten mit Belehrungen, weil die zwei gestohlene europäische Pässe durch ihre Lappen gehen ließen. Mit etwas mehr rassistischem Profiling hätte das gelingen müssen.

Letzte Woche hieß es noch, dass sich zwei asiatisch aussehende Männer mit je einem gestohlenen österreichischen und italienischen Pass auf den Flug MH370 begeben hätten, der angeblich zum Ziel eines terroristischen Angriffs werden sollte.

Dass »diese Ungereimtheit« zwischen nicht-europäischen Aussehen und europäischen Pass den malaysischen Sicherheitsbeamten nicht aufgefallen sei, müsse man schon als sehr befremdlich einstufen, sagte ein vom SWR Rheinland-Pfalz bestellter Experte, dem ich während einer Autofahrt lauschte. Die These eines terroristischen Angriffs hat sich zwar als Ente erwiesen, aber hinter der Aussage des Experten steckt dann doch etwas mehr: Latenter Rassismus.

Dass Europäer mit nicht-europäischen Aussehen überprüft werden, ist ja mittlerweile eine traurige »Selbstverständlichkeit« geworden. Viele Schwarze, die regelmäßig Bahn fehren, können davon berichten, dass sie vermehrt kontrolliert werden. Ein deutscher Pass ändert daran zunächst wenig.

Jeder Mensch, der aussieht, wie man sich hierzulande einen Araber oder einen Taliban vorstellt, muss bei Flügen damit rechnen, ausgiebiger begutachtet zu werden. Wenn exotisches Aussehen Kontrolle mit sich bringt, nennt man das »Racial Profiling«. Die Rasterfahndung ist zwar generell verboten, aber im Kopf der Kontrolleure und Ermittlungsbeamten ist sie wohl nicht abzuschalten.

Doch »Racial Profiling« ist nicht einfach ein Kontroll- und Ermittlungsansatz. Es verstärkt die Wechselwirkung des alltäglichen Rassismus. Denn wenn die Polizei besonders Menschen mit arabischen Ursprung überprüft, dann entsteht leicht der Eindruck, dass diese Kontrollen sicher nicht grundlos seien. Das »European Network Against Racism« kritisiert »Racial Profiling« als ineffizient und nicht effektiv, denn bestimmte Tätergruppen gerieten so aus dem Blickfeld.

Interpol habe dann auch gleich beanstandet, dass diese verdächtigen Pässe nicht abgeglichen wurden mit der Interpol-Datenbank. Hätten die Malaysier das getan, hätten sie nämlich bemerken müssen, dass es sich um gestohlene Dokumente handelte. Man fand es also ganz normal, das unterbliebene »Racial Profiling« als einen Fehler des malaysischen Flughafenpersonals hinzustellen.

Die »Bild« findet das natürlich auch und schreibt, dass auf »unerklärlichen Weise bei Abflug« kein Abgleich stattfand. Als ob ein solches Abgleichen bei allen Passagieren üblich wäre! Und was für ein antiquiertes Weltbild ist das eigentlich, wenn man es für verdächtig hält, dass Europäer nicht typisch europäisch aussehen?

Vielleicht haben die Malaysier sich auch deshalb nicht gewundert, weil es für Menschen aus ehemaligen Kolonialgebieten gar nicht so verwunderlich ist, dass ihr eigener oder ein ähnlicher Phänotyp mit europäischen Pass herumläuft. Wie viele Pakistanis mit britischen Pass gibt es denn? Und wenn die Menschen dort genauso oberflächlich sind, wie bei uns, dann sehen sie in einem Engländer und einem Österreicher oder Italiener auch keinen Unterschied. Kennen wir doch auch bei uns, wenn mal wieder einer tönt: »Inder? Vietnamese? Is det nich allet dasselbe?«

Schlussendlich war der ganze Aufstand dann zwar umsonst, weil es 1.) doch keine Asiaten waren, die mit diesen gestohlenen Pässen ins Flugzeug stiegen und weil, 2.), die besagten Personen wahrscheinlich mit dem Verschwinden der Maschine gar nichts zu tun hatten – aber dieser latente Rassismus, der bei der Berichterstattung mitschwang und eine Lanze für das »ethnische Profilen« brach, blieb so gut wie unbemerkt. Wir sind es einfach gewohnt, dass wir Menschen mit anderem Aussehen unter Generalverdacht stellen. Nur nennen wir dieses Verhalten heute nicht mehr »rassistisch«, sondern sehen es als eine »Frage der nationalen Sicherheit«

- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

Mehr aus: Der Heppenheimer Hiob
- Anzeige -
- Anzeige -