Ein roter Adler ohne herrschaftliche Attribute

Das Wappentier in seiner bekannten Form haben die Brandenburger Ex-Ministerpräsident Stolpe zu verdanken

  • Lesedauer: 3 Min.
Manfred Stolpe (SPD), Jahrgang 1936, war von 1990 bis 2002 Ministerpräsident des Landes Brandenburg. Über den roten Wappenadler, der im neuen Landtag weiß ist und deswegen für Diskussionen sorgt, sprach mit ihm Steffi Prutean (dpa).

nd: Wann und wie ist der rote Adler als Wappentier nach Brandenburg gekommen?
Stolpe: Der rote Adler ist nach meinen Kenntnissen von den Askaniern im 12. Jahrhundert mitgebracht worden. Ich vermute, dass ein Wimpel mit einem roten Adler schon eine Rolle spielte, als 1157 die Festung Brandenburg besetzt worden ist.

Ein roter Adler ziert auch das Wappen von Tirol. Wo ist da eine Verbindung zu Brandenburg?
In der Wendezeit haben wir Brandenburger uns mit dem Landeshauptmann von Tirol getroffen. Im Brandenburg-Haus, einer Hütte auf etwa 3700 Metern, haben wir eine ganze Nacht diskutiert, wer von wem den roten Adler hat.

Ist die Frage auch geklärt worden?
Der rote Adler von den Askaniern gelangte von Brandenburg über die Heirat einer Prinzessin nach Tirol. Das bestreiten die Tiroler bis heute. Sie können es nicht ertragen, dass der rote Adler gewissermaßen sekundär bei ihnen gelandet ist.

Was bedeutet Ihnen der Brandenburger Adler?
Schon in der DDR-Zeit gehörte ich zu den wenigen, die die drei Bezirke Potsdam, Cottbus und Frankfurt (Oder) als eine Einheit empfanden. In den 1980er Jahren habe ich mir Autoaufkleber mit dem roten Adler besorgt - von einem Ruderclub in Berlin-Wannsee. Ich habe die Schrift abgeschnitten, den Aufkleber an gute Freunde verteilt und auch an mein Auto geklebt.

Wie ging es in der Zeit danach weiter?
Mit dem Wunder der Wende und den ersten freien Wahlen kam auch das Land Brandenburg. Und da war uns allen klar, jetzt ist die Stunde des roten Adlers. Das war ein Selbstläufer. Plötzlich klang überall das Lied von Gustav Büchsenschütz »Märkische Heide, märkischer Sand« mit dem Refrain »Steige hoch, Du roter Adler«. Das war unglaublich identitätsstiftend für eine Bevölkerung, die nicht mehr wusste, dass es einmal ein Brandenburg gegeben hatte. Das war doppelt verdeckt: durch Preußen und die DDR. Wegen Preußen war Brandenburg in der DDR-Zeit verpönt. Meine Sorge war: Wie schafft man es, dass sich diese Bevölkerung aus drei Bezirken in einem Land zusammenfindet?

Und wie haben Sie es bewerkstelligt?
Den Menschen war ein Bezugspunkt wichtig, besonders in den ersten Jahren nach 1990. Sie hatten die ungeliebte, aber letztlich doch identitätsstiftende DDR verloren. In der Bundesrepublik waren sie noch nicht richtig angekommen. Die Menschen hatten durch unser Wappentier ein wenig Halt und wussten, wo sie hingehörten.

Wie der Adler aussieht, regelt die Landesverfassung. Wer entschied 1990 diese Frage?
Die Sozialdemokraten waren sofort für den roten Adler und die anderen waren nicht dagegen. Alle machten mit. Das Wohl des Landes war den Parteien wichtiger als politische Rechthaberei. Über Details haben wir gesprochen, nicht über die Farbe. Die war klar. Der Adler sollte keine Attribute, Kurhut, Zepter, Schwert haben, wie der letzte Brandenburger Adler. Ich wollte einen in ziviler Ausführung. Das hat ohne großen Streit funktioniert.

Den haben wir aber jetzt. Das Wappentier ziert den Plenarsaal, in weiß an weißer Wand. Einen roten Adler hat Architekt Peter Kulka mit einem »Blutfleck« verglichen. Wie stehen Sie dazu?
Ich habe mit dem von mir geschätzten Architekten mehrfach diskutiert. Seinen ästhetischen Standpunkt respektiere ich - ein weißer Adler. Nach mehreren Gesprächen weiß ich aber, dass Kulka auch einen roten Adler an der Stelle ertragen könnte. Darüber bin ich ganz froh. Ich hätte sonst Sorge, dass das, was wir mit dem roten Adler verbanden, jetzt nach fast 25 Jahren ein wenig verblassen könnte. Die Menschen sollen auch ein bisschen stolz sein auf das Land. Sie müssen sich nicht verstecken, nicht in der Kultur, der Wirtschaftskraft und dem Sport.

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