Enkeltaugliche Abenteuer im Wald

Umweltministerin Anita Tack startete einen Wettbewerb zum Thema Nachhaltigkeit

Nach drei Jahren Arbeit an einer Nachhaltigkeitsstrategie für Brandenburg soll das Papier Ende April im Kabinett behandelt werden. Schon vorher startete die Umweltministerin einen Wettbewerb.

Früh am Morgen treffen sich bis zu 14 Mädchen und Jungen am Rand des Potsdamer Viertels Waldstadt II. Sie beratschlagen zunächst, wohin es heute gehen soll, und laufen danach in den Forst. Dort verzehren sie dann wie bei einem Picknick auf der Decke das mitgebrachte Frühstück. Anschließend entdecken sie die Natur. Sie spielen, bauen Tipis, erklimmen Bäume. So läuft er ab, der hiesige Waldkindergarten der Arbeiterwohlfahrt (AWO).

Was bringt das den Knirpsen? »Frische Luft, freien Raum, Fantasie«, antwortet Martina Pfaff. Sie leitet die große AWO-Kita »Abenteuerland«, gleich um die Ecke an der Friedrich-Wolf-Straße 10 in der Waldstadt I, und zugleich den kleinen Waldkindergarten. Zum Mittagessen ziehen die Waldknirpse ins »Abenteuerland«, und bleiben dort, bis sie abgeholt werden.

Gerade sind nur sechs Jungen und ein Mädchen auf der Lichtung anwesend. Die anderen Spielgefährten seien zum Beispiel mit den Eltern verreist oder bei Oma und Opa zu Besuch, wehrt Andrea Tichy vom Vorstand des Elternvereins lächelnd die Frage ab, ob ein Waldkindergarten vielleicht doch nicht so gesund sei, weshalb die Hälfte der Kinder wohl erkältet im Bett liege. Im Gegenteil: Bei Wind und Wetter draußen zu sein, das härte ab. Ihr Sohn Darek habe im gesamten vergangenen Jahr nicht ein einziges Mal Schnupfen gehabt.

Derweil spricht Umweltministerin Anita Tack (LINKE) mit Darek und einem seiner Spielkameraden. Die beiden Jungs sind auf eine verwachsene Birke gestiegen. »Aber nicht höher klettern, der Baum will nämlich auch leben«, warnt die Ministerin. Schließlich könnte der Ast abbrechen, an dem sich die Jungs festhalten. Doch das dünne Holz hält mehr aus als gedacht. Das zeigt sich, als Darek fröhlich an dem Ast zerrt und ihn so hin und her schwenkt.

Waldkita und Kita »Abenteuerland« sind ein gutes Beispiel für vorbildliche Umwelterziehung und nachhaltige Entwicklung. Darum wählte das Umweltministerium sie als Ort, jetzt den Wettbewerb »Natürlich. Nachhaltig. Wir in Brandenburg« zu starten. Beteiligen darf sich im Grunde jeder. Bürger, Institutionen, Verbände und Unternehmen können ihre Projekte und Aktivitäten bis zum 18. Mai registrieren lassen. Eine Jury wählt die Preisträger aus, die im Sommer ausgezeichnet werden. 20 000 Euro Preisgeld sind ausgelobt. Nur der Waldkindergarten und das »Abenteuerland« sind ausgeschlossen. Sie mussten sich entscheiden, ob sie das akzeptieren und dafür Gastgeber für den Startschuss werden. Sie haben Ja gesagt.

Das »Abenteuerland« ist ein 2011 eröffneter Neubau anstelle eines abgerissenen Kindergartens, der sich schon seit Jahrzehnten dort befunden hatte. Bei der Planung des Neubaus durften diejenigen Kinder mitbestimmen, die zuerst dort einzogen. Sie wünschten sich zum Beispiel das nach wie vor sehr beliebte Baumhaus. Es gibt eine Art Labor, eine Zeitungsredaktion und Werkstätten. Sogar die Anderthalbjährigen zimmern bereits Vogelhäuschen - weil die Tiere im Winter etwas zu Fressen brauchen.

260 Kinder werden im »Abenteuerland« betreut, die Hortkinder aus der Grundschule gegenüber mitgerechnet. Der Ansturm ist groß - in Potsdam insgesamt und hier besonders. Kita-Leiterin Pfaff kann nicht ansatzweise all die Knirpse aufnehmen, deren Eltern sich das wünschen. Alleinerziehende Mütter werden bevorzugt und Kinder, deren Geschwister bereits hier sind.

Einige der Kinder im »Abenteuerland« haben ihren ersten Geburtstag noch vor sich, andere feierten bereits ihren zwölften Geburtstag. Die Kinder essen gemeinsam im großen Speisesaal, indem es trotzdem sehr ruhig zugeht. Die Zeit für das Mittagessen rückt heran. Ein Mädchen und ein Junge decken schon einen der vielen Tische. Das Geschirr besteht aus Porzellan und Glas. Auf Plastikteller und Pappbecher wird bewusst verzichtet. Plaste findet sich überhaupt kaum in dieser Kita, verrät Leiterin Pfaff. Lieber wird Spielzeug aus Holz gewählt, und die Lebensmittel werden von regionalen Produzenten bezogen wegen der kurzen Transportwege. Das alles hat mit dem Gedanken der Nachhaltigkeit zu tun.

»Um unser Land ›enkeltauglich‹ zu machen, müssen wir jetzt aktiv werden und kreative Ideen und Lösungen für einen neuen Umgang mit der Umwelt, der Gestaltung des sozialen Zusammenlebens und des Wirtschaftens nutzen«, betont Umweltministerin Tack. »Konkrete Projekte zeigen, wie’s geht, und das regt zum Nachmachen und Mitmachen an. Es wäre ein Riesenerfolg, wenn es uns gelingt, landesweit ein Bewusstsein für einen nachhaltigen Lebensstil zu schaffen und weitere Menschen für Nachhaltigkeit zu begeistern.« Drei Jahre lang wurde an einer Nachhaltigkeitsstrategie für das Land Brandenburg gebastelt. Ende April soll diese Strategie im Kabinett behandelt werden, kündigt Tack an.

Das mag sich trocken anhören. Doch das Leben der Kita-Kinder an der Friedrich-Wolf-Straße ist alles andere als langweilig. »Hier erleben wir jeden Tag ein Abenteuer«, erzählen sie stolz.

nachhaltig-brandenburg.de

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