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Aus für Globuli-Bachelor

In Deutschland wird es vorerst keinen Hochschulstudiengang für Homöopathie geben

  • Martin Koch
  • Lesedauer: 4 Min.

Traunstein ist ein idyllisch gelegener Ort in Oberbayern. Knapp 19 000 Menschen leben hier, nur zehn Kilometer vom Chiemsee entfernt. Neben den üblichen staatlichen Bildungseinrichtungen gibt es in Traunstein mehrere katholische Kindergärten, eine private Wirtschaftsschule, eine katholische Mädchenrealschule und ein katholisches Studienseminar. Nun sollte eine weitere, in Deutschland einzigartige private Bildungseinrichtung hinzukommen: eine Akademie für Homöopathie, deren Initiatoren beabsichtigten, »klassische Homöopathie auf Hochschulniveau« zu lehren.

Auch Räume für die sogenannte Homöo-Akademie waren bald gefunden - im Gebäude eines ehemaligen Gymnasiums in Traunstein, für dessen Umbau die bayerische Staatsregierung eine halbe Million Euro bereitgestellt hatte. Geleitet werden sollte die Akademie allerdings von Berlin aus, genauer von der privaten und staatlich anerkannten Steinbeis-Hochschule, die auch andere Studiengänge zur »Komplementärmedizin« anbietet.

Lange lief alles nach Plan. Im September 2014 könnten die ersten Bewerber mit dem Homöopathiestudium beginnen, steht seit Monaten auf der Homepage der Akademie zu lesen. Der Studiengang führe nach einer Regelstudienzeit von drei Jahren zum Abschluss »Bachelor of Science in Complementary Medicine and Management« und sei mit Studiengebühren in Höhe von insgesamt 21 600 Euro belegt.

Ende März 2014 fand in Traunstein sogar ein Vorkurs für Abiturienten statt. Damit werde auch Bewerbern ohne Berufserfahrung die Möglichkeit gegeben, bereits im September in den Bachelor-Studiengang einzusteigen, ließ die Leitung der Akademie mediengerecht verlauten.

Schon die Ankündigung, dass eine Hochschule für Homöopathie geplant sei, hatte deutschlandweit für heftige Kontroversen gesorgt, die über Monate andauerten. Wie üblich standen sich dabei die Befürworter und Kritiker der Homöopathie unversöhnlich gegenüber. »Die Homöopathie wirkt. Wir können nur nicht beweisen, wie sie wirkt«, erklärte etwa der Arzt und Homöopath Urs Rentsch, der als Dozent für die Akademie vorgesehen war. Die meisten »Schulmediziner« sehen das freilich etwas anders. Zwar bestreiten auch sie die Erfolge der Homöopathie nicht. Sie führen diese jedoch auf den Placeboeffekt und damit auf die oft unterschätzten Selbstheilungskräfte des Menschen zurück. Homöopathen gehen hier einen Schritt weiter. Sie sind überzeugt, dass ihre wirkstofffreien Tinkturen und Globuli auch ohne psychische Vermittlung zu heilen vermögen. Von Seiten der Naturwissenschaften gibt es dafür allerdings nicht den geringsten Anhaltpunkt. Im Gegenteil: Nach den Gesetzen der Physik und Chemie wäre es geradezu ein Wunder, wenn wirkstofffreie Medikamente unmittelbar zu biochemischen Effekten führen würden.

Amardeo Sarma, der Vorsitzende der »Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften« (GWUP), bezeichnete die geplante Hochschule in Traunstein deshalb als Etikettenschwindel. Denn sie verleihe einer Pseudowissenschaft höhere Weihen. In der Tat wäre es paradox, wenn die Absolventen eines Homöopathiestudiums den gleichen akademischen Grad erhielten wie etwa Studenten der Naturwissenschaften. Dies käme letztlich einer Entwertung des »Bachelor of Science« gleich.

Als die offizielle Gründung der Akademie immer näher rückte, schrieb der Homöopathiekritiker Norbert Aust einen Brief an die Ständige Konferenz der Kulturminister der Länder, den auch der Wissenschaftsrat der GWUP unterzeichnete. Darin heißt es unter anderem: »Der Wissenschaftsstandort Deutschland macht sich lächerlich, wenn man für das Auswendiglernen von wissenschaftlich obsoleten Inhalten aus dem 19. Jahrhundert einen Bachelor verliehen bekommen kann.« Es sei mithin notwendig, die wissenschaftliche Seriosität des beabsichtigten Homöopathiestudiums von unabhängigen Experten begutachten zu lassen. Immerhin stand zu jener Zeit noch die sogenannte Akkreditierung des Homöopathie-Studiengangs aus, eine Art Qualitätsprüfung, ohne die das bayerische Wissenschaftsministerium einen neuen Studiengang nicht genehmigen darf. Dort sah man die Sache indes gelassen: »Die Prüfung ist nur formal«. Und auch in Traunstein gab es kaum Zweifel. Die Bachelor-Ausbildung werde im September auf jeden Fall starten, versicherte mir auf Nachfrage am letzten Freitag die Pressesprecherin der Akademie.

Doch dann kam alles ganz anders. Völlig unerwartet teilte die Steinbeis-Hochschule in dieser Woche mit, dass man die Planungen für den Homöopathie-Studiengang eingestellt habe. Als maßgeblicher Grund wurde die von Skeptikern, Politikern und Ärzteverbänden geäußerte Kritik an dem Projekt genannt. Ob und wie es nun mit der »akademischen Karriere« der Homöopathie weitergehen wird, weiß niemand. GWUP-Mitglied Norbert Aust macht sich da jedoch keine Illusionen: »Die Steinbeis-Hochschule kann jederzeit mit einem anderen Partner und an anderer Stelle das Experiment weniger laut wiederholen.«

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