Missbrauch per Facebook

Jugendliche stellen freizügige Fotos ins Netz

  • Thomas Roser, Belgrad
  • Lesedauer: 2 Min.

Ein schneller Klick mit dem Mobiltelefon genügt. Das sexy Selfie für das eigene Facebook-Profil ist unter Jugendlichen populär. Doch die Selbstaufnahmen bergen absehbare Tücken. Der Missbrauch der arglos aufgenommenen Fotos des eigenen Körpers ist in der keineswegs abgeschotteten Facebook-Welt kaum zu verhindern.

So sorgt derzeit eine in Staaten Ex-Jugoslawiens von einem anonymen kroatischen Nutzer angelegte Internetseite für Empörung: Mit Name und Adresse wurden die Fotos von Hunderten minderjähriger Mädchen aus Bosnien-Herzegowina, Kroatien und Serbien ins Netz gestellt. Die Schülerinnen sind verzweifelt, ihre Eltern entsetzt. Ihre 14-jährige Tochter habe einige »freizügige« Fotos für ihr eigenes Facebook-Profil aufgenommen, das nur einem Freundeskreis zugänglich gewesen sei, klagt eine Mutter aus Belgrad in der Zeitung »Blic«. Doch »jemand« habe die Bilder offenbar heruntergeladen und der ganzen Welt zugänglich gemacht: »Nun sitzt sie im Zimmer und weint den ganzen Tag.«

Kriminologen glauben, dass gegen die anonymen Macher der Seite kaum vorzugehen sei, da die Mädchen die Bilder ihrer halbnackten Körper selbst ins Facebook gestellt hätten: Ein strafwürdiger Tatbestand liege nur vor, wenn jemand die Bilder zu verkaufen oder zur Illustrierung von Annoncen für sexuelle Dienstleistungen zu nutzen suche. Bosnische Hacker behaupteten gegenüber der kroatischen Zeitung »Jutarnji List«, den unter dem falschen Namen »Josip M.« gemeldeten Schöpfer der Seite enttarnt zu haben: Es sei der 16-jährige Schüler Renato M. aus Zagreb. Dieser hatte sich gebrüstet, dass ihm täglich Hunderte neuer Fotos zugeschickt würden. Die Berichterstattung über die »Pädophilen-Website« hat deren Popularität noch vergrößert. In wenigen Tagen wurde sie von 60 000 Facebook-Nutzern besucht. Am Mittwoch verschwand die Seite vom Netz, um mit fast demselben Inhalt wenig später unter anderem Namen neu zu erscheinen.

Für »scheinheilig« hält der Kolumnist der kroatischen Internetseite »index« die Aufregung über die Seite, die den Schlagzeilenmachern in der österlichen Saure-Gurken-Zeit genau recht gekommen sei. Während sich die Kommunikation der geplagten Eltern mit ihren Schützlingen oft nur noch auf hilflose Flüche begrenze, könnten Jugendliche mit zwei Klicks in den Internetwelten der Pornografie und der Halbanalphabeten ihrer Hollywood-Idole erfahren, dass »der Weg zum Erfolg durch das Bett, über die Pistole oder beides« führt. Der dominierende Körperkult sei »Quelle und Mündung« der jugendlichen Existenz. Viel Mühe werde für die Präsentation des eigenen Körpers auf Facebook investiert - dem »größten Viehmarkt der Welt«.

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