Aufschrei der Empörung

Kalenderblatt

  • Gerd Fesser
  • Lesedauer: 2 Min.

Nationale bzw. nationalistische Streitigkeiten um Territorien sind kein Phänomen unserer Tage wie ein Blick zurück in die Geschichte zeigt. Vor 150 Jahren kam ein Dauerbrenner der damaligen europäischen Politik wieder in Gang: die Schleswig-Holstein-Frage. Der staatsrechtliche Status der beiden Herzogtümer war kompliziert: sie gehörten beide dem Deutschen Bund an, doch gleichzeitig war der König von Dänemark Herzog von Holstein und Lauenburg.

Bis weit in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts lebten in Schleswig Deutsche und Dänen friedlich zusammen. Seit der Mitte des Jahrhunderts regte sich jedoch auf beiden Seiten der Nationalismus. Die Deutschen wollten sich nun von der »Fremdherrschaft« befreien, die dänischen Nationalisten (die sogenannten Eiderdänen) wollten die deutschen Schleswiger dänisieren. Ende 1863 kamen die Eiderdänen zum Zuge und hoben die Selbstverwaltungsrechte des Herzogtums Schleswig auf.

Durch ganz Deutschland ging ein Aufschrei der Empörung. Überall fanden Volksversammlungen statt, wurden Schleswig-Holstein-Vereine gebildet und Geldsammlungen organisiert. Ja, einige Demokraten begannen damit, Freiwilligenverbände aufzustellen, um Schleswig-Holstein mit bewaffneter Hand zu befreien.

Es gelang den deutschen Liberalen, die entstehende Schleswig-Holstein-Bewegung unter ihre Kontrolle zu bringen und sie auf die Parole festzulegen, Schleswig und Holstein sollten vom deutschen Volk und von den deutschen Fürsten gemeinsam befreit werden. Zu dieser Zeit war in Preußen der Verfassungskonflikt im Gange - ein Machtkampf zwischen dem König und seinem Ministerpräsidenten Bismarck auf der einen, der liberalen Parlamentsmehrheit auf der anderen Seite. Bismarck war wegen seiner reaktionären Innenpolitik der meistgehasste Mann in Preußen. Er verlor jetzt keine Zeit und verbündete sich mit der österreichischen Regierung.

Am 1. Februar 1864 rückten nun bei klirrendem Frost preußische und österreichische Truppen in Schleswig ein. Am 18. April erstürmten die Preußen die Düppeler Schanzen, ein mächtiges Befestigungssystem, das die Dänen an der Ostseeküste gegenüber der Insel Alsen errichtet hatten. Sechs Monate später musste die dänische Regierung im Friedensvertrag von Wien Schleswig, Holstein und das kleine Herzogtum Lauenburg an Preußen und Österreich abtreten.

Bismarck hatte viel erreicht. Er hatte den deutschen Liberalen erstmals in der Praxis bewiesen, dass es ihm ernst war mit seiner Ankündigung, Deutschland mit »Blut und Eisen« zu einigen. Das Misstrauen, das große Teile des Bürgertums bisher dem »Konfliktminister« entgegengebracht hatten, schwand allmählich dahin, und der Widerstand der Liberalen gegen Bismarck begann zu erlahmen. Gerd Fesser

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